Düsseldorf, 30. Mrz (Reuters) – Die Bundesregierung bereitet sich auf einen Ausfall von Gaslieferungen aus Russland vor und hat die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Russland ist der größte Gaslieferant Deutschlands. Der Anteil am gesamten Gasbedarf der Bundesrepublik lag 2021 bei 55 Prozent und am Ende des ersten Quartals 2022 bei rund 40 Prozent. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Deutschland nicht vor Mitte 2024 unabhängig von Gaslieferungen aus Russland sein kann.
WORUM GEHT ES BEI DEM STREIT MIT RUSSLAND?
Russland hat angekündigt, dass sogenannte unfreundliche Länder Gaslieferungen künftig in Rubel abwickeln müssen. Details sollten bis zum 31. März geklärt werden. Damit dürften Deutschland und weitere europäische Staaten gemeint sein, die wegen der Invasion Russlands in der Ukraine Sanktionen verhängt haben. Die Verträge werden bislang in der Regel in Euro und Dollar abgewickelt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besteht darauf, dass es bei dem bisherigen Vorgehen bleibt. Die großen deutschen Gasimporteure RWE, Uniper, EnBWEBKG.DE und VNGVNG.UL haben sich bislang nicht dazu geäußert, wie sie sich verhalten werden.
WAS BEDEUTET DIE AUSRUFUNG DER FRÜHWARNSTUFE?
Der Notfallplan Gas hat drei Eskalationsstufen – die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe. Die Frühwarnstufe wird ausgerufen, wenn es konkrete, ernstzunehmende und zuverlässige Hinweise darauf gibt, dass es zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage kommen könnte. Beim Bundeswirtschaftsministerium tritt nun ein Krisenstab zusammen. Letzte Stufe ist die Notfallstufe.
Sie tritt in Kraft, wenn eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegt oder eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage. Dann müssen „nicht-marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden“, um insbesondere die Gasversorgung der geschützten Kunden – etwa Haushalte, Krankenhäuser oder Gaskraftwerke zu sichern. Dies regelt die Bundesnetzagentur.
WEN TRIFFT ES ZUERST?
Die Industrie wird zuerst getroffen. Sie benötigt rund ein Viertel des gesamten Gasbedarfs in Deutschland. Die Konzerne haben bereits vor den Folgen gewarnt. E.ON-Chef Leonhard Birnbaum sprach in der ARD von einem „Szenario, das massive Schäden für die deutsche Volkswirtschaft zur Folge hätte“. Eine ausreichende Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen könne wohl in drei Jahren erzielt werden. Ein unmittelbarer Importstopp von russischem Gas würde nicht nur zu Produktionsstillständen in der Stahlindustrie führen, sondern auch zu einem Einbruch der Industrieproduktion in Deutschland und der EU, sagt der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff.
WIE GEHT ES WEITER?
Die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, fordert bereits jetzt Vorbereitungen für den Ernstfall: „Obwohl aktuell noch keine Mangellage vorliegt, ist es notwendig, dass alle Beteiligten für den Fall einer Lieferunterbrechung mit russischem Erdgas einen klaren Fahrplan zu ihren Rechten und Pflichten haben.“
Was passiert bei einem Stopp russischer Gaslieferungen
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