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Und Scholz? – Die Crux mit der Reise-Diplomatie nach Kiew

Berlin, 03. Mai (Reuters) – „Schön, in diesem Land zu sein“, postete ein sichtlich gut gelaunter CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag aus dem Zug nach Kiew. Dort will er etwa Vertreter des ukrainischen Parlaments treffen, die ihn eingeladen hatten. Ganz nebenbei verstärkt Merz mit seiner Visite den Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), nun selbst in die ukrainische Hauptstadt zu reisen.

Tatsächlich prasselt seit Tagen Kritik auf Scholz ein, dass er nicht dem Vorbild anderer EU-Regierungschefs aus Osteuropa, aber auch Spanien folgt. Die Bundesregierung antwortete darauf bisher stets mit dem Hinweis, dass Deutschland auch ohne Reise zu den größten Unterstützern der Ukraine gehöre. Das sei wichtiger für das von Russland überfallene Land. Scholz telefoniere regelmäßig und lange mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil wirft Merz umgekehrt eine politische Instrumentalisierung der Reise vor – obwohl auch drei Ampel-Politiker zuvor in die Westukraine gereist waren. 

Sowohl Scholz als auch Baerbock verweisen darauf, dass die Lage kompliziert geworden sei, seit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vom ukrainischen Präsidialamt ausgeladen worden war. Seither gibt es ein protokollarisches Problem. Auch die Grünen-Politikerin sagte, sie habe einen Besuchs-Plan zurückstellen müssen, weil eigentlich mit dem Bundespräsidenten vereinbart gewesen sei, dass sie nach Steinmeier reise.

„Leider“ sei dieser dann von ukrainischer Seite wieder ausgeladen worden, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag. „Das heißt nicht, dass ich in Zukunft nicht fahren werde“, fügte sie hinzu. Im Auswärtigen Amt bemüht man sich allerdings um die Erklärung, es gebe keine Festlegung, dass sie erst nach Steinmeier reisen könne. „Ja, ich werde auch fahren“, betonte die Ministerin.

Für den Kanzler sehe die Lage anders aus, heißt es in Regierungskreisen. Protokollarisch steht er über der Außenministerin – und hat auch nach eigenen Angaben größere Probleme mit der Steinmeier-Ausladung. Ein Staatsoberhaupt, das gerade von der Bundesversammlung mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt worden sei, zur unerwünschten Person zu erklären, „das kann man nicht machen“, sagte der Kanzler am Montag im ZDF.

Deutschland habe der Ukraine viel militärische und wirtschaftliche Hilfe geleistet. Da könne es nicht sein, dass man dann sage, „der Präsident kann aber nicht kommen“. Im übrigen: Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Joe Biden waren seit Kriegsbeginn noch nicht da. 

Im der Regierung schüttelt man ohnehin den Kopf, dass etwa der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk und das ukrainische Präsidialamt zunächst dementierten, dass es überhaupt eine Ausladung gegeben habe. Aus einer Reuters vorliegenden Nachricht aus dem Präsidialbüro an die deutsche Botschafterin in Kiew vom 12. April geht eindeutig hervor, dass Steinmeier nicht zusammen mit den baltischen und polnischen Präsidenten kommen sollte. Als Gründe wurden Sicherheitsbedenken und logistische Engpässe beim Besuch von gleich fünf Präsidenten angeführt. Gleichzeitig hieß es, dass „der deutsche Besuch“ zu einem separaten Besuch kommen könne. Nur hat es seither keine formelle Einladung gegeben. 

In der Debatte schwingt auch eine parteipolitische Komponente mit. So wie Unions-Politiker Scholz demonstrativ auffordern, endlich zu reisen, so verteidigen SPD-Politiker den früheren Außenminister Steinmeier gegen den Vorwurf einer angeblichen Russland-Nähe etwa durch den ukrainischen Botschafter. Und dessen Vorwurf in einem Interview, Scholz sei eine „beleidigte Leberwurst“ führte nun zur Aufforderung einer Entschuldigung auch aus FDP und CDU. 

Doch es gibt nach Angaben aus Regierungskreisen noch einen weiteren Grund für das Zögern. „Denn wer kommt, muss eigentlich auch etwas mitbringen – da hat es Merz als Oppositionspolitiker einfacher“, heißt es. Aber sowohl bei Scholz als auch dem Bundespräsidenten würde sich diese Frage anders stellen.

In Kiew selbst scheint man sich Richtung Entspannung bewegen zu wollen. „Ich weiß nur, dass der Bundeskanzler vielleicht auch irgendwann gerne kommen würde“, sagte Selenskyj-Berater Alexander Rodnyansky zu „Welt“-TV. Er kenne die Bedingungen dafür nicht. „Ich wünsche mir – auch als Ukrainer und als Berater, und ich kann auch für unser ganzes Team sprechen – , dass wir natürlich den Bundeskanzler sehr gerne hier begrüßen würden.“ Vom Bundespräsidenten war aber wieder nicht die Rede.

Und Scholz? – Die Crux mit der Reise-Diplomatie nach Kiew

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Titelfoto: Copyright [Subbotina] /Depositphotos.com

Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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