Frankfurt, 17. Mrz (Reuters) – Die steigenden Energiepreise im Zuge des Kriegs in der Ukraine sorgen für gravierende Probleme in der deutschen Chemiebranche. Die Hoffnung der chemisch-pharmazeutischen Industrie auf einen positiven Wirtschaftsverlauf in diesem Jahr habe mit der Invasion Russlands in der Ukraine ein jähes Ende gefunden, teilte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) am Donnerstag mit. „Krieg und Sanktionsmaßnahmen werden deutliche Spuren in der Weltwirtschaft hinterlassen“, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. „Die Effekte sind erheblich.“ Für 2022 erwartet nun mehr als die Hälfte der Unternehmen laut einer aktuellen Mitgliederumfrage des VCI einen Rückgang bei Produktion und Umsatz. Vor dem Krieg in der Ukraine sei dagegen noch gut die Hälfte von einem Umsatzplus ausgegangen.
Größter Belastungsfaktor sind die hohen Energiepreise: 70 Prozent der Unternehmen hätten dadurch große Probleme. 85 Prozent könnten die steigenden Kosten gar nicht oder nur teilweise an ihre Kunden abwälzen. Betroffen sei davon in erster Linie der Mittelstand „aus dem wir dramatische Meldungen haben, dass Unternehmen die Verdoppelung, die Verdreifachung von Energiekosten nicht mehr verkraften können“, erläuterte Große Entrup. „Hier stehen Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit, vor Insolvenz und ähnlichen Herausforderungen.“ Sorgen bereiteten zudem die Störungen der Lieferketten, die durch den Krieg in der Ukraine und erneute Lockdowns in China wegen der Corona-Pandemie noch zunehmen dürften.
Laut VCI machen Russland und die Ukraine zusammen knapp drei Prozent der deutschen Chemie- und Pharmaexporte aus. Das waren zuletzt gut 6,8 Milliarden Euro. Auf die Region entfielen zudem rund zwei Prozent der Direktinvestitionen im Ausland. Die Betriebe beschäftigten nach Schätzung des VCI insgesamt etwa 20.000 Personen vor Kriegsbeginn. Wie sich die Handelsbeziehungen mit russischen Kunden entwickeln werden, könne für die Branche nicht verallgemeinert werden. „Arzneimittel nehmen hier zum Beispiel eine Sonderrolle ein.“ Das Geschäft mit der gesamten Region werde aber wohl künftig deutlich geringer ausfallen. Zudem sei eine Verstaatlichung von Betrieben nicht auszuschließen, sagte Große Entrup.
Kaum eine andere Branche benötigt so viel Energie für die Herstellung ihrer Produkte wie die Chemieindustrie. Der VCI warnte daher vor den „massiven Folgen“, die ein Importstopp von russischem Gas für die Branche hätte. „Tiefe Einschnitte in das Produktionsniveau der chemisch-pharmazeutischen Industrie wären nicht nur bei großen energieintensiven Unternehmen zu erwarten, sondern wären auch im Mittelstand und wohl über alle Sparten unvermeidlich. Über die Wertschöpfungsketten würde sich der Effekt auf die gesamte Industrie in Deutschland fortpflanzen.“ Denn die Produkte der Chemieindustrie werden in allen großen Industriezweigen benötig. „Wenn wir bei uns Probleme kriegen, wenn wir im produktiven Bereich durch das Thema Energie, durch das Thema Lieferketten ins Stottern geraten, dann stottert die gesamte Industrie“, erklärte Große Entrup.
Angesichts der hohen Unsicherheiten zog der VCI seine bisherige Geschäftsprognose für dieses Jahr zurück. Bislang war der Verband von einem Umsatzplus von fünf Prozent ausgegangen sowie einem Anstieg der Preise um drei Prozent und der Produktion um zwei Prozent. Im vergangenen Jahr erzielte Deutschlands drittgrößter Industriezweig nach der Autobranche und dem Maschinenbau einen Umsatzzuwachs von fast 18 Prozent auf 225 Milliarden Euro. Das war vor allem einem Anstieg der Preise um gut neun Prozent und hoher Nachfrage über das ganze Jahr zu verdanken. Die Produktion legt um gut fünf Prozent zu.
Zum Jahresende zeigten sich allerdings deutliche Bremsspuren, denn die Engpässe bei der Logistik und Vorprodukten sowie die steigenden Energie- und Rohstoffkosten setzten der Branche zunehmend zu. Zwar blieb die Nachfrage hoch, wegen Störungen der Lieferketten konnten die Unternehmen ihre Produktion aber nur geringfügig ausweiten.
Hohe Energiepreise belasten Chemiebranche – VCI kippt Prognose für 2022
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.