Dienstag, Mai 7, 2024
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Ukraine begeht Unabhängigkeitstag mit Trotz und Angst vor Angriffen

Kiew, 24. Aug – Auf den Tag genau sechs Monate nach Beginn des russischen Einmarschs hat die Ukraine am Mittwoch ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion vor 31 Jahren gedacht. Aus Furcht vor verstärkten russischen Angriffen an diesem symbolträchtigen Tag wurden in Kiew sämtliche Großveranstaltungen abgesagt. Präsident Wolodymyr Selenskyj, dessen Video-Ansprachen im vergangenen halben Jahr zu einem Symbol des ukrainischen Widerstands geworden waren, zeigte sich betont kämpferisch: Er werde den Krieg nicht dann für beendet betrachten, wenn es Frieden gebe, sondern wenn sein Land gesiegt habe. Überraschend traf auch der britische Premierminister Boris Johnson in Kiew ein – mit der Zusage weiterer Militärhilfe im Gepäck. 

Dabei erteilte Johnson „unausgegorenen Plänen für Verhandlungen“ zur Beendigung des Krieges eine Absage. Dafür sei gegenwärtig nicht der richtige Zeitpunkt, sagte er bei einer Pressekonferenz mit Selenskyj. Zugleich sagte Johnson der Ukraine weitere Militärhilfe im Volumen 54 Millionen Pfund (rund 64 Millionen Euro) zu. Das Paket umfasst den Angaben zufolge 2000 Drohnen und Lenkwaffen, die es dem ukrainischen Militär ermöglichen sollen. „Großbritannien wird weiterhin an der Seite unserer ukrainischen Freunde stehen. Ich glaube, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann und wird“, erklärte Johnson auf Twitter.

Auch US-Präsident Joe Biden kündigte weitere Militärhilfe für die Ukraine im Volumen von rund drei Milliarden Dollar an. Dabei handelt es sich der Washingtoner Regierung zufolge um das bislang größte derartige Hilfspaket der USA seit Beginn der russischen Invasion. „Die Vereinigten Staaten von Amerika sind entschlossen, das ukrainische Volk bei seiner anhaltenden Verteidigung der Souveränität zu unterstützen“, erklärte Biden anlässlich des ukrainischen Unabhängigkeitstags. 

Selenskyj führte in seiner emotionalen Rede aus, dass die Ukraine am Morgen des 24. Februar als Nation wiedergeboren worden sei. „Eine Nation, die nicht weinte, schrie oder sich fürchtete. Eine, die nicht floh. Nicht aufgab. Und nicht vergaß.“ Die Ukraine werde die schon 2014 durch Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim und die in den vergangenen Monaten verlorenen Regionen im Donbass im Osten des Landes zurückerobern, bekräftigte Selenskyj. Der 44-Jährige, der wie üblich armeegrün gekleidet war, stand während der Aufzeichnung der Rede vor dem zentralen Unabhängigkeitsdenkmal in Kiew. In der Stadtmitte wurden ausgebrannte russische Panzer im Stil von Kriegstrophäen ausgestellt.

Dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) berichtete Selenskyj per Videoschalte in einer Sitzung, in der auch die Ukraine im Mittelpunkt stand, von einem russischen Raketenangriff auf einen Bahnhof in der Region Dnipropetrowsk. Dabei habe es Tote und Verletzte gegeben. „Das ist unser tägliches Leben. So hat sich Russland auf diese UN-Sitzung vorbereitet“, sagte Selenskyj. 

GENERALSTAB MAHNT BEVÖLKERUNG ZU BESONDERER VORSICHT

Die Straßen der Hauptstadt waren am Mittwoch ungewöhnlich leer, nachdem in den vergangenen Tagen wiederholt eindringlich vor möglichen Raketenangriffen Russlands auf ukrainische Städte rund um den Unabhängigkeitstag gewarnt worden war. Öffentliche Versammlungen sind in Kiew verboten; in der zuletzt stark umkämpften zweitgrößten Stadt Charkiw im Osten des Landes galt eine Ausgangssperre. Am Morgen mahnte das ukrainische Militär die Bevölkerung abermals zur Vorsicht. „Die russischen Besatzer verüben weiterhin Luft- und Raketenangriffe auf zivile Ziele auf dem Territorium der Ukraine“, erklärte der Generalstab. „Ignorieren sie die Fliegeralarme nicht.“ 

Die Ukraine war bis 1991 Teil der von Russland dominierten Sowjetunion. In einer Volksabstimmung sprach sich damals eine überwältigende Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung für die Unabhängigkeit aus. In der zwischen Russland auf der einen und östlichen EU-Ländern wie Polen und Rumänien auf der anderen Seite liegenden Ukraine lebt eine russische Minderheit.

BUNDESKANZLER SCHOLZ: DIE UKRAINE GEHÖRT IN DIE EU

Nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz muss die Ukraine Mitglied der Europäischen Union werden. „Die Ukraine hat einen festen Platz in Europa und zwar als Mitglied in der EU“, sagte Scholz in einer Video-Botschaft zum Unabhängigkeitstag. Er erinnerte an den Beschluss des EU-Gipfels im Juni, der die Tür für ein Aufnahmeverfahren öffnete. Man werde das Land solange gegen den Angriff Russlands unterstützen, solange dies nötig sei, bekräftigte der Kanzler und lobte den Mut der ukrainischen Armee. Ende Oktober werde die Bundesregierung gemeinsam mit der EU-Kommission eine internationale Wiederaufbaukonferenz ausrichten. „Das in Freiheit und Demokratie vereinte Europa ist viel stärker als Russlands rückwärtsgewandeter Imperialismus.“ 

Der russische Einmarsch in die Ukraine vor einem halben Jahr hat Schockwellen in der ganzen Welt ausgelöst und stellt eine Zäsur in der europäischen Nachkriegsgeschichte dar. Die Moskauer Regierung begründete ihr als militärischen Sondereinsatz bezeichnetes Vorgehen damit, in der Ukraine militärische Kapazitäten zerstören sowie gegen als gefährlich eingestufte Nationalisten vorgehen zu wollen. Die Ukraine und ihre Verbündeten sprechen von einem Angriffskrieg. In den vergangenen sechs Monaten wurden Tausende Zivilisten getötet, mehr als ein Drittel der Ukrainer wurde aus ihrem Zuhause vertrieben und ganze Städte weitgehend zerstört.

Die Ukraine spricht von fast 9000 gefallenen Soldaten. Russland hat keine Opferzahlen veröffentlicht. US-Geheimdienste gehen davon aus, dass 15.000 Soldaten getötet wurden. Russische Truppen kontrollieren inzwischen große Teile des Donbass im Osten der Ukraine sowie Gebiete im Süden, darunter Küstenstreifen am Schwarzen Meer und am Asowschen Meer. Vor allem die Belagerung der dortigen Hafenstadt Mariupol hatte im Kriegsverlauf ein Schlaglicht auf das Leid der Zivilbevölkerung geworfen. Nach dem früh gescheiterten Versuch Russlands, die Hauptstadt Kiew einzunehmen, sorgten Bilder getöteter Zivilisten vor allem aus dem Vorort Butscha international für Entsetzen. 

Ukraine begeht Unabhängigkeitstag mit Trotz und Angst vor Angriffen

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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