Belfast, 03. Mai (Reuters) – Zwei Tage vor der Parlamentswahl in der britischen Provinz Nordirland liegt die katholisch-nationalistische Partei Sinn Fein Umfragen zufolge vorn. Die Partei, die für eine Vereinigung der Provinz mit dem EU-Staat Irland eintritt, hat einer am Dienstag veröffentlichten Befragung zufolge gegenüber ihren Rivalen einen Vorsprung von acht Prozentpunkten. Bei einem Sieg würde mit der als politische Vertretung der früheren militanten Untergrundorganisation IRA bekanntgewordenen Sinn Fein erstmals eine nationalistische Partei stärkste Kraft in der Regierung in Belfast werden. Dies wäre Beobachtern zufolge ein historischer Wandel – 24 Jahre nachdem mit dem Karfreitagsabkommen der gewaltsame Nordirland-Konflikt beigelegt worden war.
In der Provinz streben die überwiegend katholischen Nationalisten eine Vereinigung mit der Republik Irland an, die protestantischen Unionisten stehen für einen Verbleib im Vereinigten Königreich mit England, Schottland und Wales. Auch wenn die nordirischen Wähler eher explodierende Lebenshaltungskosten und ein marodes Gesundheitssystem umtreiben, könnte Sinn Fein einen Triumph bei dem anstehenden Votum als Etappensieg auf dem Weg zur Abspaltung werten.
So hatte Sinn-Fein-Spitzenpolitikerin Michelle O’Neill erst unlängst erklärt, nach ihrer Einschätzung könne es noch vor Ende des Jahrzehnts zu einer Vereinigung mit der Republik Irland kommen. O’Neill war nordirische Vize-Regierungschefin und musste Anfang Februar zurücktreten, als Regierungschef Paul Givan von der protestantischen, pro-britischen Democratic Unionist Party (DUP) aus Protest gegen Brexit-Handelsregeln hinwarf. Nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 müssen Vertreter des katholischen und des protestantischen Lagers immer zusammen regieren. Demnach kann auch die britische Regierung ein Referendum anberaumen, wenn sich eine Mehrheit für eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland abzeichnet.
Bei Sinn Fein hat längst eine jüngere Generation das Ruder übernommen, die weniger mit der IRA und der von Gewalt gezeichneten Vergangenheit in Verbindung gebracht werden. Geleitet von ihrem Engagement für eine Vereinigung mit der Republik Irland fordert sie die Regierung in Dublin auf, sich auf eine mögliche Vereinigung vorzubereiten. Diese Bestrebungen nutzen wiederum pro-britische Parteien in Nordirland für den Versuch, Gegner einer Abspaltung der Provinz hinter sich zu sammeln – so auch die DUP, die allerdings zuletzt stark an Zuspruch verloren hat.
Der EU-Ausstieg Großbritanniens hat der Nordirland-Frage neue Brisanz verliehen und vor allem zu Diskussionen über die Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland geführt. Beim Brexit-Referendum 2016 stimmten die Nordiren für einen Verbleib in der EU.
Sinn Fein vor Nordirland-Wahl in Führung – Sieg wäre historische Wende
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