Berlin, 01. Jun (Reuters) – Die Bundesregierung will sich mit Gewerkschaften und Arbeitgebern an einen Tisch setzen, um über gemeinsame Maßnahmen gegen die hohe Inflation zu beraten. Bundeskanzler Olaf Scholz rief die Tarifpartner am Mittwoch zu einer Konzertierten Aktion auf. „Wir brauchen eine gezielte Kraftanstrengung in einer ganz außergewöhnlichen Situation“, sagte der SPD-Politiker.
„Wir wollen eine Konzertierte Aktion gegen den Preisdruck.“ Wirtschaftsminister Robert Habeck machte deutlich, dass es dabei auch um staatliche Entlastungen für Beschäftigte gehen kann, um ein Anheizen der Inflation durch hohe Lohnabschlüsse zu vermeiden: „In dem Maße, wie die Kaufkraft durch staatliche Maßnahmen erhalten wird, in dem Maße mildert man den Druck auf Tarifabschlüsse. Und da hat der Staat eine aktive Rolle.“
Im Mai war die Jahresteuerung in Deutschland nach vorläufigen Berechnungen auf 7,9 Prozent gestiegen. Sie liegt damit so hoch wie zuletzt im Winter 1973/1974. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen nicht mit einer raschen Wende rechnet. Im Einzelhandel macht sich das bereits bemerkbar. Dessen Umsatz ging im April um 4,7 Prozent zurück, trotz der Lockerung der Corona-Einschränkungen. Vor allem bei Lebensmitteln sparen die Verbraucher.
SCHOLZ: ALLE MÜSSEN ETWAS BEITRAGEN
Bei der Bekämpfung der Inflation müssten alle etwas beitragen, sagte Scholz vor dem Bundestag. Dabei gehe es nicht um Lohntarifverhandlungen. „Hier muss erneut zusammengestanden werden und herausgefunden werden, wie wollen wir mit dieser Preisentwicklung umgehen?“ Scholz verwies auf die Chemische Industrie, die mit einer einmaligen Sonderzahlung für die Beschäftigten einen interessanten Weg gewählt habe. Eines sei klar: „Kreditfinanzierte Dauersubventionen sind keine Lösung, zumal wir nächstes Jahr die verfassungsmäßig vorgeschriebene Schuldenbremse wieder beachten werden.“
Scholz verwies auf mehrere Ursachen für die steigenden Preise. „Ganz vorn der von Russland angezettelte Krieg“, sagte der Kanzler. Dieser heize Energie- und Rohstoffpreise an. Zudem seien die internationalen Lieferketten oft noch durch die Corona-Pandemie gestört, insbesondere in Asien. Und die milliardenschweren Konjunkturpakete, die viele Länder aufgelegt hätten, hätten zu einer höheren Nachfrage etwa nach Rohstoffen geführt. „Noch sind also diese Preissteigerungen wahrscheinlich auf solche einmaligen Schocks zurückzuführen“, sagte Scholz. „Aber wir müssen aufpassen, dass daraus keine dauerhafte Entwicklung mit zu hohen Inflationsraten wird.“
Auch Habeck sagte, die Teuerung werde durch äußere Faktoren befeuert. „Der Haupttreiber sind die hohen Energiepreise durch den Krieg, den Putin ausgelöst hat“, sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf den Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine. „Wir müssen vermeiden, dass die Inflation zu einer Rezession führt.“ Das liege im Interesse von Unternehmen und Gewerkschaften. Zweitens müsse die Kaufkraft erhalten werden. Und man müsse Gerechtigkeit walten lassen – also die Lasten gerecht in der Volkswirtschaft verteilen. Die Bundesregierung werde in den Gesprächen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern „Unterstützung, Entlastungen, die der Staat vornehmen kann, mit in den Topf tun“.
Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger begrüßte den Vorschlag. „Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben in den bisherigen Krisen immer konstruktiv an Lösungen mitgearbeitet. Wir werden es auch dieses Mal tun“, erklärte er.
Regierung will Lohn-Preis-Spirale verhindern
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