Sonntag, März 16, 2025
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M&A, Innovation und die Zukunft des Biotech-Sektors: Ein Gespräch mit Dr. Christian Koch, BB Biotech

Die Biotech-Branche befindet sich in einer dynamischen Phase: Während Innovationen in der Forschung und neue Therapieansätze bahnbrechende Möglichkeiten eröffnen, beeinflussen makroökonomische Entwicklungen, geopolitische Spannungen und regulatorische Veränderungen die Marktbedingungen erheblich. Gleichzeitig könnten steigende M&A-Aktivitäten im Jahr 2025 eine neue Welle von Unternehmensübernahmen auslösen.

Wie positioniert sich BB Biotech in diesem anspruchsvollen Umfeld? Welche Unternehmen erfüllen die Kriterien für eine High-Conviction-Strategie, und wie wirkt sich der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf die Branche aus? Dr. Christian Koch, Head Investment Management Team von BB Biotech, gibt in diesem exklusiven Interview Einblicke in seine Strategie, seine Markteinschätzung und die Zukunft des globalen Biotech-Universums.

Wie bereiten Sie sich strategisch auf zunehmende M&A-Aktivitäten vor? Welchen Einfluss hat das in Ihrem Portfolio?

M&A ist natürlich ein Faktor in der Titelselektion, aber kein dominanter. Wir fokussieren uns auf Biotech-Unternehmen, die über innovative klinische Ansätze, klare Vermarktungskonzepte und eine strategische Relevanz für große Pharmaunternehmen verfügen. Diese Merkmale erhöhen das M&A-Potenzial. Einige der Kernpositionen in unserem Portfolio sind inzwischen gereift, haben regulatorische Zulassungen erhalten oder konnten wachsende Erlösquellen aufbauen, was sie als Übernahmekandidaten attraktiver macht. Nach einer Phase verhaltener M&A-Aktivitäten in den letzten Jahren könnte das Marktumfeld im Jahr 2025 wieder verstärkt Übernahmen begünstigen. Unternehmen mit starken kommerziellen Assets und hoher strategischer Bedeutung für die Branche könnten vermehrt ins Visier von Großkonzernen geraten. Ein konkretes Beispiel für diese Entwicklung ist die Übernahme von Intra-Cellular Therapies durch Johnson & Johnson für 14,6 Milliarden US-Dollar. Diese Transaktion brachte uns nicht nur erhebliche absolute und relative Renditen, sondern stärkte auch unsere Fähigkeit, in neue Opportunitäten zu investieren. 

Welche Bedeutung haben M&A-Aktivitäten für die Biotech-Branche?

M&A-Aktivitäten sind ein wesentlicher Wachstumstreiber für die Biotech-Industrie und spielen eine zentrale Rolle bei der strategischen Entwicklung großer Pharmaunternehmen. Die zwanzig größten Biopharma-Konzerne verfügen insgesamt über mehr als eine Billion US-Dollar an Deal-Kapazität, während Umsätze in Höhe von mindestens 200 Milliarden US-Dollar in den nächsten fünf Jahren durch auslaufende Patente gefährdet sind. In den nächsten zehn Jahren könnten sich diese Umsatzeinbußen sogar auf 400 Milliarden US-Dollar belaufen. Blockbuster-Medikamente wie Keytruda, Darzalex und Eliquis werden ihre Marktexklusivität verlieren, weshalb Übernahmen nicht nur eine strategische Möglichkeit zur Portfolioerweiterung darstellen, sondern für viele Unternehmen mit rückläufigen Einnahmen und begrenzten internen Forschungskapazitäten eine Notwendigkeit sind.

Welche Kriterien erfüllt für Sie ein Biotechnologie-Unternehmen mit hoher Überzeugungskraft?

Wir verfolgen eine klare High-Conviction-Strategie und investieren gezielt in Unternehmen, die sich durch ihre Innovationskraft und ihr differenziertes wissenschaftliches Potenzial auszeichnen. Entscheidend ist, dass diese Unternehmen nicht nur über starke klinische Daten verfügen, sondern auch eine überzeugende Vermarktungsstrategie vorweisen können. Ein weiteres Merkmal ist wie bereits erwähnt die strategische Relevanz für größere Pharmaunternehmen, da dies langfristig die Chancen auf Übernahmen oder strategische Partnerschaften erhöht. Wir konzentrieren uns auf Unternehmen, die mit neuen Therapieansätzen den ungedeckten medizinischen Bedarf adressieren und nicht lediglich bestehende Medikamente marginal verbessern.

Warum sind viele Biotech-Unternehmen trotz bahnbrechender Innovationen unterbewertet?

In den vergangenen Jahren wurde der Biotech-Sektor von verschiedenen makroökonomischen Entwicklungen negativ beeinflusst. Steigende Zinsen, Inflationsängste und erschwerte Finanzierungsbedingungen haben dazu geführt, dass Investoren zunehmend dividendenstarke Aktien und festverzinsliche Anlagen bevorzugten, während Biotech-Titel trotz bedeutender wissenschaftlicher Fortschritte aus dem Fokus gerieten. Viele Biotech-Unternehmen haben in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt und konnten klinische Risiken durch vielversprechende Daten aus späten Entwicklungsphasen reduzieren. Dennoch werden sie an den Märkten weiterhin so bewertet, als befänden sie sich in einer frühen Entwicklungsphase. Diese Diskrepanz zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und Marktwert eröffnet für langfristige Investoren attraktive Kaufgelegenheiten.

Wie würden Sie die Dynamik im Biotech-Universum beschreiben? Gibt es Unterschiede zwischen USA und Europa – und auch innerhalb Europas?

Der Biotech-Sektor ist stark von makroökonomischen, regulatorischen und marktspezifischen Faktoren geprägt. Die USA bleiben das Zentrum für biotechnologische Innovationen, Kommerzialisierung und Finanzierung. Wir bauen daher unsere Präsenz in den USA gezielt aus und haben kürzlich Dr. Wendy Lam zur Leiterin der US-Niederlassung in New York ernannt. Europa hat im Vergleich einen eingeschränkten Zugang zu Kapital, während die USA mit ihrem riesigen Kapitalmarkt und dem weltweit grössten Medikamentenmarkt beste Bedingungen bieten. Zudem ist die FDA oft schneller und flexibler in der Zulassung neuer Therapien als die EMA. Die führenden US-Biotech-Hubs wie Boston oder San Francisco ermöglichen eine enge Vernetzung zwischen Investoren, Universitäten und Unternehmen, was die Dynamik ebenfalls stärkt. 

Stellen die zunehmenden Zoll- und Handelskriege ein Risiko für die Biotech-Industrie dar? Wie gehen Sie dieses Risiko an?

 Die aktuelle geopolitische Lage ist äußerst dynamisch und kann sich schnell ändern. Dennoch steht die Biotech-Industrie nicht im Zentrum der Handelskonflikte, da sie stark auf den US-Markt ausgerichtet ist. Der Großteil der Gewinne wird in den USA erwirtschaftet, und die meisten unserer Unternehmen sind dort ansässig. Wir behalten die Entwicklungen aber genau im Blick.

Wie beurteilen Sie die Arbeit von Robert F. Kennedy als US-Gesundheitsminister?

Die Ernennung hat für Unsicherheit im Biotech-Sektor gesorgt. Seine kritische Haltung gegenüber Impfungen und regulatorischen Prozessen weckt Befürchtungen über mögliche Eingriffe in Schlüsselbehörden wie die FDA, die CDC und die CMS. Diese Institutionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Zulassung, Erstattung und Finanzierung von Arzneimitteln. Sollten unter seiner Führung Veränderungen an diesen Prozessen vorgenommen werden, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Biotech-Industrie haben. Besonders betroffen ist der Impfstoffsektor, da mögliche Anpassungen der Zulassungs- und Erstattungsrichtlinien die Marktchancen für innovative Impfstoffe erheblich beeinflussen könnten.

Wird die FDA ihre Unabhängigkeit auch nach den DOGE-Umbauten noch behaupten können?

Die geplante Ernennung von Dr. Martin Makary als neuer Leiter der FDA wird allgemein positiv bewertet. Er ist für seinen pragmatischen, datengetriebenen Ansatz bekannt und dürfte daher an den bisherigen strikten Standards der Behörde festhalten. Trotz der politischen Unsicherheiten bleibt die FDA die weltweit führende Referenz für Arzneimittelzulassungen. Im Jahr 2024 genehmigte die Behörde insgesamt 50 neue Medikamente, was die hohe regulatorische Aktivität trotz veränderter Rahmenbedingungen unterstreicht.

Welche Rolle spielt der chinesische Biotech-Sektor? Wer kann im Ausland davon am meisten profitieren?

Der chinesische Biotech-Sektor wächst dynamisch, bleibt aber stark auf Me-Too- und Me-Better-Ansätze fokussiert. Während echte Innovationen noch selten sind, bietet der Markt Möglichkeiten für Big Pharma und US-Venture-Investoren, die gezielt kostengünstige Follower-Rechte sichern und vielversprechende Entwicklungen effizient skalieren können.  

Welche Rolle spielt der Austritt der USA und Argentiniens aus der WHO für den globalen Biotech-Sektor?

Für den globalen Biotech-Sektor hat dies keine zentrale Bedeutung. Lediglich die internationale Koordination bei Impfstoffen und der Strain Selection (Auswahl spezifischer Virusstämme) könnte davon betroffen sein.

Welche Rolle wird KI in der Biotech-Forschung spielen?

Künstliche Intelligenz wird als eine der Schlüsseltechnologien für die zukünftige Entwicklung des Biotech-Sektors betrachtet. Durch den gezielten Einsatz von KI lassen sich Erfolgsquoten in der Arzneimittelforschung erhöhen, Entwicklungszeiten verkürzen und neue Marktchancen erschließen. Besonders in Bereichen wie der Arzneimittelforschung, der Gen- und Zelltherapie, RNA-Therapien und der Präzisionsmedizin hat KI das Potenzial, bestehende Prozesse grundlegend zu verändern. Der Einsatz dieser Technologie kann die Effizienz klinischer Studien verbessern und dazu beitragen, neuartige Therapieansätze schneller zur Marktreife zu bringen.

Vielen Dank für das Interview.

Titelfoto: Copyright BB Biotech

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