Brüssel/Berlin, 23. Feb (Reuters) – Die Europäische Kommission will Unternehmen für ihre Zulieferer stärker in die Pflicht nehmen. Es solle verhindert werden, dass Produkte, die auf Zwangsarbeit beruhten, auf den europäischen Markt kämen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) begrüßte die Pläne, die über das deutsche Lieferkettengesetz noch hinausgehen. Kritik kam aus der Wirtschaft, die vor einer Überforderung von Unternehmen warnte.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, es werde ein starkes Signal gesendet. In den Regalen in Europa sollte es keine Produkte geben, die auf Zwangsarbeit basierten. Konkret sollen in der EU tätige Firmen dazu gebracht werden, zu prüfen, dass ihre weltweiten Lieferanten unter anderem keine Sklaven- oder Kinderarbeit dulden und Umweltstandards einhalten.
Manager sollen zudem dazu verpflichtet werden sicherzustellen, dass Geschäftsmodell und Strategie ihres Unternehmens auf die Begrenzung der globalen Erderwärmung von maximal 1,5 Grad ausgerichtet sind.
Ausbeutung und Kinderarmut könnten kein Geschäftsmodell sein, sagte Bundesarbeitsminister Heil. Jetzt gehe es darum, die Rechte von Betroffenen zu stärken und für Firmen Sorgfaltspflichten zu verankern, die auch durchgesetzt werden könnten. „Damit setzt die EU weltweit Standards.“
„Der Entwurf droht Unternehmen zu überfordern“, sagte dagegen Wolfgang Niedermark vom deutschen Industrieverband BDI. Der Anwendungsbereich gehe zu weit und sei damit realitätsfern. Anforderungen müssten auf die direkten Zulieferer beschränkt werden, um praxistauglich zu sein.
Der Versicherungsverband GDV begrüßte, dass es eine einheitliche Regelung für Europa geben soll. „Kritisch zu sehen ist, dass selbst Teile des kleineren Mittelstands durch die neuen Vorschriften erfasst werden“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Das kritisierte auch der Mittelstandsverband BVMW: „Allein in Deutschland wären bis zu 16.675 Unternehmen vom Brüsseler Bürokratiehammer betroffen.“ Viele Betriebe seien aber durch die Corona-Pandemie geschwächt, zusätzliche Belastungen nicht angebracht.
STUDIE – LIEFERKETTENGESETZ FÜHRT ZU PREISERHÖHUNGEN
Der Bundestag hatte 2021 dem Lieferkettengesetz zugestimmt. Große Unternehmen werden ab 2023 verpflichtet, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren Zulieferern vorzugehen. Bei Verfehlungen drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes.
Es gilt zunächst für Konzerne mit jeweils mehr als 3000 Mitarbeitern. Ab 2024 sollen auch Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten einbezogen werden. Wegen des neuen Gesetzes plant etwa jedes fünfte Unternehmen in Deutschland Preiserhöhungen. Ziel sei es, die Kosten für die Einhaltung des Gesetzes auszugleichen, heißt es in der Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln unter rund 1000 Firmen.
Etwa zwölf Prozent beabsichtigen, Länder mit schwachen Governance-Strukturen und hier vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer aufgrund der neuen Vorschriften zu verlassen. Rund 18 Prozent planen, Vorprodukte nur noch aus Ländern zu beziehen, die hinreichend auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards achten.
In der EU wird jetzt mit langwierigen Debatten über das Vorhaben gerechnet. Unter anderem müssen das Europäische Parlament und die EU-Regierungen eingebunden werden. Geplant sind Regelungen, die dann für etwa 13.000 Firmen in der EU gelten würden.
Hauptkriterium wäre, dass sie mehr als 500 Mitarbeiter haben und der Nettoumsatz pro Jahr bei mehr als 150 Millionen Euro liegt. In Bereichen wie etwa der Bekleidungs-, Schuh-, Lebensmittel- und Chemieindustrie sollen die Regelungen schon für kleinere Firmen gelten. Zudem könnte das Vorhaben rund 4000 Unternehmen einbeziehen, die in der EU tätig sind, aber ihren Sitz nicht dort haben.
Firmen in Europa sollen stärker für ihre Zulieferer verantwortlich sein
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