Berlin, 24. Mrz (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft reagiert enttäuscht auf das Entlastungspaket der Ampel-Koalition wegen der sprunghaft gestiegenen Energiepreise. Mehrere Verbände kritisierten am Donnerstag, es stünden vor allem Verbraucher im Vordergrund, während Betriebe weitgehend vergessen würden. Gelobt wurde die auf drei Monate befristete Entlastung bei den Spritpreisen, die allerdings nicht ausreiche.
„Die historisch hohen Strom- und Energiepreise bedrohen viele Unternehmen in ihrer Existenz“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Peter Adrian. „Teilweise war es bereits vor dem Krieg in der Ukraine aufgrund der hohen Energiepreise betriebswirtschaftlich sinnvoller, Maschinen und Anlagen abzustellen anstatt zu produzieren.“ Das sei gefährlich für den Wirtschaftsstandort. Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, vor allem für die stark betroffene Industrie. Finanzminister Christian Lindner (FDP) zufolge soll Benzin vorübergehend um 30 Cent und Diesel um 14 Cent pro Liter billiger werden.
Außer der Energiesteuersenkung gebe es nichts für den Mittelstand, sagte Markus Jerger, Vorsitzender des Branchenverbands BVMW. „Die Bundesregierung ist daher auch dringend aufgefordert, zügig Klarheit darüber zu schaffen, wie sie auf die jüngste Ankündigung Russlands reagieren wird, Gas nur noch gegen Rubel zu liefern. Und sie muss einen deutlichen ambitionierteren Zeitplan für eine Reduzierung der Abhängigkeiten in der Energieversorgung vorlegen.“
Auch das Handwerk beklagte, die Entlastung reiche in der aktuellen Lage nicht aus. „Zusätzlich sollten auch die Verbrauchssteuern bei Strom und Gas auf die europäisch zulässigen Mindestsätze gesenkt und die CO2-Abgabe befristet ausgesetzt werden“, forderte Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer. „Besonders betroffenen energieintensiven Betrieben müssen zielgenaue direkte Hilfen gewährt werden, um einer Insolvenzwelle vorzubeugen.“
Verbraucherschützer sprachen von einem Schritt in die richtige Richtung. Mutig und sozial ausgewogen sei der Plan, befristet für 90 Tage den öffentlichen Nahverkehr für nur neun Euro pro Monat nutzen zu können. „Wer das Auto stehen lässt oder ohnehin ohne Auto lebt, kann so massiv Kosten einsparen“, sagte Verbraucherschützerin Jutta Gurkmann.
DIE UNGENAUE GIESSANNE
Kritik kam von Ifo-Präsident Clemens Fuest: „Das Paket bedeutet eine Entlastung mit der Gießkanne und ist deshalb fiskalisch teuer und wenig zielgenau.“ Lindner rechnet mit Kosten von ungefähr 16 Milliarden Euro. Die Benzinpreissenkung sei ein Fehler, sie sei immerhin eng befristet, so Top-Ökonom Fuest. „Besser wäre es gewesen, kleine und mittelständische Unternehmen mit hohen Benzinkosten gezielt zu entlasten.“
Der Wirtschaftsweise Achim Truger bezeichnete das Paket als klassischen Kompromiss, der für alle Beteiligten gesichtswahrend sei. Das pauschale Energiegeld sowie der Kinderbonus könnten als schnell umsetzbarer Einstieg in das pauschale Klimageld aufgefasst werden. „Das günstige 90-Tage-Ticket zur Stärkung des ÖPNV ist ökologisch sinnvoll.“ Gut sei zudem der Fokus auf Energieeffizienz und Einsparungen.
Wirtschaft enttäuscht von Entlastungspaket – „Reicht nicht aus“
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.