Frankfurt, 18. Nov – Der Tarifabschluss der Metallindustrie mit mehr als 8,5 Prozent Lohnerhöhung im traditionellen Pilotbezirk Baden-Württemberg rückt den Verhandlungsführer der IG Metall, Bezirkschef Roman Zitzelsberger, ins Rampenlicht. Und zwar mit Absicht, hieß es im Umfeld der Tarifverhandlungen, denn ein Jahr vor dem Chefwechsel bei der wichtigsten deutschen Gewerkschaft konnte Zitzelsberger so einmal mehr seine Eignung als Nachfolger des Ersten Vorsitzenden Jörg Hofmann unter Beweis stellen. Der 56-Jährige gilt schon länger als Kandidat – war er doch 2013 schon Hofmanns Nachfolger als Leiter der IG-Metall-Bastion im Südwesten, aus der schon viele Gewerkschaftsbosse in die Zentrale nach Frankfurt wechselten.
Es dürfe deshalb kein Durchschnitts-Abschluss werden, sagte ein IG-Metaller aus dem Norden kurz vor der entscheidenden Runde, die der Gewerkschaftsvorstand per Beschluss vorab in die Hände der Baden-Württemberger gelegt hatte. „Zitzelsberger muss mit einem Wumms aufwarten, wenn er nach Frankfurt will.“ Ob er nach Frankfurt will, dazu hält sich der Badener bedeckt. Zwischen dem Tarifabschluss und der Nachfolgefrage auf dem Gewerkschaftstag 2023 gebe es keinen Zusammenhang, sagte er nach der Marathon-Verhandlungsnacht von Ludwigsburg. Die schwierige Runde mit den Arbeitgebern sei nicht geeignet gewesen, sich in Szene zu setzen, sondern eher, sich eine blutige Nase zu holen.
DROHEN UND KRÖTEN SCHLUCKEN
Sich in Szene zu setzen wäre ohnehin nicht schlau, weiß Zitzelsberger nach fast 40 Jahre langem Werdegang in der IG Metall vom Jugendvertreter bei Daimler Benz über die hauptamtlichen Stationen Gewerkschaftssekretär, 2. Bevollmächtigter, 1. Bevollmächtigter und Bezirksleiter. „Über die eigene Person zu reden, ist unklug und nicht en vogue in der IG Metall“, sagte er. „Ich halte die Klappe.“ Er reihe sich in den Prozess ein, nach dem der amtierende Gewerkschaftschef Hofmann im kommenden Jahr einen Personalvorschlag machen werde. Vorher wolle er sich zu der Kandidatenfrage nicht äußern.
Mit seiner Erzählung über die lange Nacht von Ludwigsburg, in der die teils hitzigen Gespräche mit den Arbeitgebern fast gescheitert wären, beschreibt sich Zitzelsberger als ausgebufften Tarifverhandler. Und das ist schließlich die Königsdisziplin der IG Metall. Schon in den Jahren 2015 und 2018 holte er den Pilotabschluss. Diese Erfahrung half ihm jetzt beim Spiel von Drohen und Krötenschlucken, Geben und Nehmen am Verhandlungstisch. Er habe „zugespitzt“, „härter gespielt“ und schließlich „das größere Schwert auf den Tisch gelegt“ – das war die Drohung mit Dauerstreik im Südwesten.
„Da habe ich gesagt: Leute, jetzt ist Schluss.“ Den Arbeitgebern stieß die harte Gangart des Tarifpartners sauer auf. „Diese Androhung, nur in Baden-Württemberg eine Urabstimmung zu machen und in den übrigen Regionen nicht, halte ich für einen ganz schwierigen Vorgang“, sagte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall.
NICHT AUS ZUCKERGUSS
Am Ende war es die Streikdrohung, der sich die Arbeitgeber beugten und die sie dazu brachte, mehr zu geben als sie wollten, wie Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf erklärte. Zitzelsberger, der sonst immer freundlich und verbindlich auftritt, kann also auch anders. „Dass es Südwestmetall nicht geschmeckt hat, war mir klar“, sagte er. „Aber wir sind alle nicht aus Zuckerguss gemacht.“
Ein Selbstläufer ist die Hofmann-Nachfolge für Zitzelsberger nicht, wenn er sie denn will. Denn es gibt nicht nur den Erbhof Baden-Württemberg in der Gewerkschaft, sondern auch die Tradition, dass die Nummer zwei die Nummer eins wird. Die Zweite Vorsitzende ist seit 2015 Christiane Benner (54). Damals wurde die Gewerkschaft dafür gefeiert, erstmals in ihrer Geschichte eine Frau an die Spitze zu bringen. Wie würde es aussehen, wenn dann doch ein Mann an ihr vorbeizieht? Den Ausweg aus dem Dilemma könnte sich die Gewerkschaft bei SPD und Grünen abgucken: Ein Tandem von Mann und Frau, das ist en vogue.
Tarifabschluss bringt Zitzelsberger der IG-Metall-Spitze näher
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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