Freitag, November 8, 2024
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Ökonomen zum Tarifabschluss in der Metallindustrie

Berlin, 18. Nov – Arbeitgeber und Gewerkschaft haben sich in der Metall- und Elektroindustrie angesichts der hohen Teuerungsraten auf eine kräftige Lohnerhöhung geeinigt. Die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der größten deutschen Industrie bekommen in zwei Schritten 8,5 Prozent mehr Geld sowie 3000 Euro Einmalzahlung netto. Ökonomen sagten dazu in ersten Reaktionen:

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

„Das ist zwar ein hoher Abschluss, der die Unternehmen belastet. Aber er spiegelt noch keine Lohn-Preis-Spirale wider, weil sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber letztlich den Wohlstandsverlust geteilt haben, der von den massiv verteuerten Energieimporten verursacht wurde.“

CLEMENS FUEST, IFO-PÄSIDENT:

„Der Tarifabschluss ist ein gutes Ergebnis. Besonders wichtig ist, dass längere Streiks abgewendet sind, die die aktuelle Krise verschärft hätten. Die dauerhaften Lohnerhöhungen von gut vier Prozent pro Jahr werden keine Lohn-Preis-Spirale auslösen. Die steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung sorgt dafür, dass die verfügbaren Einkommen trotzdem spürbar steigen. Angesichts der hohen Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung ist es sinnvoll, Einmalzahlungen zu nutzen, statt allein auf dauerhafte Lohnerhöhungen zu setzen. In vielen anderen Bereichen der Wirtschaft wird es nicht möglich sein, die Steuer- und Abgabenbefreiung für die Einmalzahlung zu nutzen, insofern können die Unternehmen und die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie sehr zufrieden sein.“

STEFAN KOOTHS, INSTITUT FÜR WELTWIRTSCHAFT (IFW):

„Der derzeitige Inflationsdruck ist keine reine Energiepreisstory, sondern der Preisauftrieb wird auch merklich von heimischen Faktoren getrieben. Dem passen sich die Tarifparteien nun an, entankerte Inflationserwartungen bedeutet das aber noch nicht. Hierauf weisen die während der Laufzeit abnehmenden tabellenwirksamen Raten sowie die hohe Einmalzahlung hin. Diese dürfte – neben steuerlichen Anreizen – auch Ausdruck hoher Unsicherheit (also noch nicht verfestigter Inflationserwartungen) sein. Zudem spielt eine Rolle, dass angesichts des hohen Auftragsbestands eine Einigung ohne Arbeitskampf für die Unternehmen wichtig war. Eine Entwarnung für die Geldpolitik ist das gleichwohl nicht. Unsicherheit über die weitere Inflationsentwicklung bedeutet auch, dass das Vertrauen in die Preisstabilität bereits gelitten hat.“

CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:

„Traditionell wird den deutschen Lohnabschlüssen in der Euro-Zone große Aufmerksamkeit geschenkt. Für die Lohnentwicklung in Deutschland und das Risiko von Zweitrundeneffekten kann man mitnehmen, dass die Einigung zeigt, wie ein Kompromiss aussehen kann. Er wird nicht ausreichen, um den durch die höhere Inflation verursachten Kaufkraftverlust vollständig auszugleichen. Aber er mildert den Schaden ab. Für die EZB bedeutet dies, dass die Zweitrundeneffekte gedämpft bleiben und dass ein geringerer, gedämpfter Inflationsdruck länger anhalten kann als die Märkte derzeit glauben.“

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

„Die Arbeitgeber dürften sich bei dem Abschluss vor allem auf die vollen Auftragsbücher stützen, die auf einige Sicht eine gute Auslastung versprechen. Außerdem gelingt es den Unternehmen derzeit wohl noch, die steigenden Kosten weiterzugeben. Solange die Konjunkturlage sich nicht verschlechtert, dürfte diese Rechnung aufgehen. Nicht ohne Grund heißt es jedoch: ‚Recession brings inflation down.‘ Trübt sich die Konjunktur wie erwartet deutlich ein, dürfte es schwierig werden, die Kosten auf die Kunden zu überwälzen. 

Die Beschäftigten haben damit absehbar zwar Reallohnverlusten zugestimmt, weil die Inflation im laufenden und im kommenden Jahr und vielleicht auch noch 2024 über den jetzt vereinbarten Abschlüssen liegen dürfte. Im Prinzip hat man sich mit dem Tarifabschluss jedoch auf eine Lastenteilung geeinigt, was langfristig beiden Seiten als Beitrag zur Standortsicherung nutzen dürfte. Wer den größeren Teil der Last trägt, werden wir natürlich erst im Nachhinein sagen können, im Moment scheinen mir die Gewerkschaften den etwas besseren Schnitt gemacht zu haben.“

HOLGER SCHMIEDING, CHEFVOLKSWIRT BERENBERG BANK:

„8,5 Prozent plus Sonderzahlung ist hoch. Aber die Laufzeit über zwei Jahre macht es erträglich. Für die EZB ist das zwiespältig. Einerseits ein erheblicher Lohndruck im kommenden Jahr. Andererseits keine Lohn-Preis-Spirale, da dem hohen Anstieg um 5,2 Prozent im Juni 2023 ja ein erträglicherer Anstieg von 3,3 Prozent im Mai 2024 folgt. Der Lohndruck nimmt im Zeitablauf wieder ab. Buckel statt Spirale.“

Ökonomen zum Tarifabschluss in der Metallindustrie

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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