Berlin, 23. Feb (Reuters) – Der gesetzliche Mindestlohn soll zum 1. Oktober auf zwölf Euro steigen, und aus den 450-Euro-Jobs werden 520 Euro. Das sieht ein am Mittwoch von der Bundesregierung auf den Weg gebrachter Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil vor.
Von der Erhöhung des Mindestlohns „profitieren über sechs Millionen hart arbeitende Menschen, vor allem in Ostdeutschland und vor allem Frauen“, erklärte der SPD-Politiker. Seine Partei und die Grünen hatten die Anhebung im Bundestags-Wahlkampf versprochen. Die FDP setzte im Koalitionsvertrag höhere Verdienstgrenzen für die umstrittenen Minijobs durch. Während die Gewerkschaften die Anhebung des Mindestlohns begrüßten, sprachen die Arbeitgeber von einem „Systemwechsel hin zu einer Staatslohnentwicklung“.
Beide Vorhaben werden aus unterschiedlichen Lagern kritisiert. Gewerkschaften befürworten höhere Mindestlöhne und werten dies als „Ausdruck der Wertschätzung der Arbeit vieler Millionen Menschen“, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte.
Als Fehler wertete der DGB die Ausweitung der Minijob-Grenzen. Gerade für Frauen sei der Minijob „oft das sichere Ticket in die Altersarmut“. Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger warf dagegen der Bundesregierung vor, sie mache den „Mindestlohn zum Spielball der Politik“. Die Arbeitgeber pochen auf Änderungen in den Beratungen des Bundestages. Sie haben sich juristische Schritte offengehalten und begründen dies damit, dass die Mindestlohn-Kommission aus Gewerkschaften und der Arbeitgeber übergangen worden sei.
GEHALTSERHÖHUNG FÜR ETWA 6,2 MIO BESCHÄFTIGTE
Laut dem Reuters vorliegendem Gesetzentwurf können etwa 6,2 Millionen Beschäftigte durch den höheren Mindestlohn mit einer Gehaltserhöhung rechnen. Auf die Arbeitgeber kommen demnach Mehrkosten von etwa 5,6 Milliarden Euro pro Jahr zu, für die Sozialabgaben anfallen. Für die Sozialversicherungen wird daher mit Mehreinnahmen von 2,2 Milliarden Euro gerechnet. Derzeit beträgt der Mindestlohn noch 9,82 Euro. Am 1. Juli steigt die Lohnuntergrenze nach geltendem Recht auf 10,45 Euro.
Die Verdienstgrenzen für Minijobs von derzeit 450 Euro monatlich waren zuletzt 2013 erhöht worden. Während sie für Arbeitnehmer steuer- und abgabenfrei sind, führen Arbeitgeber an die Sozialkassen und das Finanzamt eine Pauschale ab. Im Juni 2021 gab es rund 7,4 Millionen Minijobber. Für gut drei Millionen davon war dies ein Nebenjob neben dem Haupterwerb.
Ein höherer Mindestlohn bedeutet aber nicht automatisch mehr Geld auf dem Konto. Studien zeigen, dass in der Vergangenheit die Arbeitszeit verringert wurde, um höhere Kosten durch die Lohnerhöhung zu vermeiden. Darauf verwiesen am Mittwoch etwa das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Berliner DIW. Das IfW sieht zudem die Gefahr, dass durch den kräftigen Lohnaufschlag Arbeitsplätze abgebaut werden.
Das DIW plädierte für mehr Kontrollen beim Mindestlohn und eine verbesserte Erfassung der Arbeitszeit. Mit dem Vorschlag einer digitalen Registrierung etwa in Branchen, die anfällig sind für Schwarzarbeit, hatte sich das Arbeitsministerium aber nicht durchsetzen können. In der Kabinettsitzung sei verabredet worden, dass Arbeits- und Finanzministerium „gemeinsam prüfen werden, wie durch elektronische und manipulationssichere Arbeitszeitaufzeichnungen die Durchsetzung des Mindestlohns weiter verbessert werden“ könne.
Mindestlohn und Minijob-Grenzen steigen im Oktober
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