Berlin, 21. Okt – Die Bundesländer drücken bei den geplanten Entlastungen durch Gas- und Strompreisbremsen aufs Tempo. Ihre Regierungschefinnen und -chefs forderten am Freitag in Hannover, die Gaspreisbremse schneller anzuziehen als von der Gaskommission vorgeschlagen. „Eine Wirksamkeit ab 1. Januar wäre deutlich besser als eine Wirksamkeit ab März“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
Laut Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wurde bei dem Gespräch mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) berichtet, dass die Strompreisbremse ab 1. Januar 2023 gelten solle. Weil machte zudem deutlich, dass 15 von 16 Ländern mehr Geld bräuchten: Sie könnten Mindereinnahmen und Mehrbelastungen „nicht allein aus Bordmitteln tragen“.
Beide Regierungschefs sprachen die Erwartung aus, dass bei den nächsten Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 2. November konkrete Vereinbarungen getroffen würden. „Wir haben einen Entscheidungsstau derzeit, diesen Stau den wollen wir auflösen“, sagte Weil. „In allen 16 Ländern haben wir erhebliche Sorgen.“ Es gehe um die sozialen Auswirkungen der Energiepreise und die wirtschaftlichen Konsequenzen, aber auch um das gesellschaftliche Klima. „Es braucht Tempo, es braucht Klarheit, wie es weitergeht“, forderte Wüst. „Jeder Tag zählt für die Menschen, für Betriebe, für Kommunen.“
LÄNDER FÜR ANDEREN ZEITPLAN ALS KOMMISSION
Die Länder raten dem Bund laut Weil davon ab, dem Zeitplan der Gaskommission für Entlastungen zu folgen. Die Experten hatten vorgeschlagen, dass der Staat im Dezember eine Abschlagszahlung der Gas-Rechnung übernimmt. Ab März 2023 solle dann eine Deckelung des Gaspreises für ein Grundkontingent von 80 Prozent des Verbrauchs gelten. Weil sagte, eine Entlastungslücke im Januar und Februar sei den Menschen nicht vermittelbar. Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie die Vorschläge der Kommission umsetzen will, Details bisher aber offengelassen. Die Länder wollen zudem auch Entlastungen für Haushalte mit Öl- und Holzpellet-Heizungen.
Wenn ein Inkrafttreten der Gaspreisbremse vor Anfang März nicht möglich sei, sollte diese laut Wüst zumindest rückwirkend ab Jahresanfang 2023 greifen. „Wir brauchen auch Klarheit bei der Unterstützung der Industrie“, sagte der CDU-Politiker. Beim Gaspreis für die Industrie gebe es noch beihilferechtliche Probleme mit der EU-Kommission. Klarheit gebe es für Kommunen und soziale Einrichtungen: Sie sollten nach Ankündigung der Minister von der Gaspreisbremse mit umfasst werden.
Laut Weil wurden die Regierungschefs informiert, dass die Strompreisbremse mit einer Entlastung in ähnlicher Höhe wie beim Gas zum 1. Januar 2023 geplant sei. Haushalte und Unternehmen ächzen unter drastisch gestiegenen Energiekosten, die sich durch den Ukraine-Krieg vervielfacht haben. Die Bundesregierung hat bereits drei Entlastungspakete im Volumen von etwa 100 Milliarden Euro beschlossen.
Über das dritte Paket muss sie sich mit den Ländern noch einigen. Ein weiterer sogenannter Abwehrschirm von bis zu 200 Milliarden Euro wurde am Freitag vom Bundestag beschlossen. Aus den neuen Schulden sollen die Gaspreisbremse und zum Teil auch die Strompreisbremse finanziert werden. Für Entlastungen beim Strom sollen zudem sogenannte Zufallsgewinne von Energiekonzernen herangezogen werden.
Während im Bund Lindner für 2023 auf der Einhaltung der Schuldenbremse beharrt, werden die Länder nach Worten von Weil um zusätzliche Kredite nicht herumkommen. Die Länder könnten ihren Anteil nicht leisten, „wenn wir nicht in einer solchen Lage dann eben auch auf die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse zurückgreifen können“. Lindner twitterte, dabei gehe es um einen Notlagenbeschluss, damit die Länder mehr Kredite aufnehmen könnten: „Um den Bundeshaushalt 2023 geht es dabei nicht.“ Ob dieser Beschluss komme, sei allerdings nicht entschieden.
Länder setzen auf Gas- und Strompreisbremse ab Anfang 2023
Quelle: Reuters
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