Berlin, 26. Mai (Reuters) – Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Deutschland für den Fall einer schlecht laufenden Konjunktur vor einer verfrühten Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenbremse im Jahr 2023 gewarnt. Wenn die Energiepreise weiter zulegten, „dann wäre es klüger von Deutschland, weiter die Konjunktur zu stützen“, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in einem am Donnerstag veröffentlichten „Spiegel“-Interview.
Sie lobte Deutschland dafür, dass die Regierung EU-Pläne nicht blockiere, die europäischen Schuldenregeln auch 2023 noch auszusetzen. „Wenn es schlecht läuft, sollte Deutschland auch den Zeitpunkt der Rückkehr zur Schuldenbremse überdenken“, ergänzte Georgiewa. Bislang gibt es in der Bundesregierung aber noch keine abschließende Position zum Vorschlag, die Schuldenregeln erneut auszusetzen.
Bereits in seinem jüngst veröffentlichten Bericht hatte der IWF gemahnt, es gebe zahlreiche Risiken für die derzeit erwartete schwache Erholung der Wirtschaft in Deutschland. Wenn diese Risiken Realität würden, müsse Deutschland für 2023 die Aussetzung der Schuldenbremse für ein weiteres Jahr prüfen. In seinem Basisszenario hält der IWF eine Rückkehr zur Schuldenbremse im kommenden Jahr für möglich. „Wenn die Energiepreise weiter zurückgehen, ist das Ziel der Schuldenbremse realistisch“, sagte Goergiewa.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. Nach derzeitigem Stand könnte der Bund dann noch etwa sieben Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen. In der kommenden Woche soll der Bundestag den Bundeshaushalt 2022 beschließen und dafür das dritte Jahr in Folge die Schuldenbremse aussetzen. Die Bundesregierung plant fast 140 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden. Die laut Schuldenbremse zulässige Kreditaufnahme wird um rund 115,7 Milliarden Euro überschritten. Der geplante Sonderfonds von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist dabei nicht mitgerechnet.
IWF-Chefin warnt vor verfrühter Rückkehr zur Schuldenbremse
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