Frankfurt, 19. März (Reuters) – Die Pandemie scheint am Immobilienmarkt längst in den letzten Winkel vorgedrungen zu sein, schließlich bestimmen Homeoffice, Zoom-Konferenzen und Online-Shopping maßgeblich die Zukunft von Bürotürmen, Tagungshotels und Einkaufszentren.
Doch relativ immun gegen Corona wirkt in Deutschland gerade jener Bereich, der mitten im Zentrum der Viren-Bekämpfung steht: Life-Science-Immobilien. Während Pharma-Fabriken oder Labore und Büros für Medizinerinnen und Biotechnologen vor allem in den USA schon länger auf wachsendes Interesse der Investoren stoßen, halten viele Anleger in Deutschland noch Abstand. Auch wenn die Begeisterung hierzulande ebenfalls wächst, bleibt fraglich, ob aus der Marktnische eine boomende Assetklasse wird.
„Life-Science-Immobilien sind ein absolutes Trend-Thema“, sagt Christian Kadel, Head of Capital Marktes beim Immobilienberater Colliers Deutschland. „Beflügelt wird das Interesse durch die Corona-Pandemie.“ Colliers vermittelt Immobiliengeschäfte, so auch den jüngsten Verkauf eines Gebäudes am Biotech-Standort Planegg-Martinsried bei München. Die an den US-Konzern Gilead vermietete Fläche von fast 4500 Quadratmetern ging von Union Investment an das Immobilien-Multi-Family-Office Pamera.
Ausschlaggebend für die Wahl sei die gute Entwicklung des Standorts gewesen, sagt Pamera-Gründer und -Geschäftsführer Christoph Zapp und betont zugleich, nicht mit voller Kraft auf Life-Science-Immobilien zu setzen. Neben Wohngebäuden und Hotels gehörten vielmehr hauptsächlich noch „normale“ Büro-Gebäude zu den Investitionszielen.
Auch der gerade von Union Investment übernommene Unternehmenssitz von Gilead Deutschland werde zurzeit rein als Büro genutzt, könne mit höheren Decken im Erdgeschoss und bestimmter Lüftungstechnik aber auch als Labor dienen. „Wir mögen reine Spezialimmobilien nicht so gern“, erklärt Zapp und verweist auf die Drittverwendungsfähigkeit, also die Möglichkeit zur Weitervermittlung beim Mieterwechsel.
BIONTECH-BOOST: ÜBER NACHT WAR AUF EINMAL ALLES LIFE SCIENCE
Dies gilt für viele Investoren am Immobilienmarkt, was das Interesse an hoch spezialisierten Gebäuden mit besonderen Vorkehrungen etwa für die Stromversorgung oder die Entsorgung gefährlicher Abfälle mitunter schmälert. Zudem zeigt auch das Beispiel des Gilead-Bürohauses in direkter Nachbarschaft zu einem BioNTech-Standort und Max-Planck-Instituten, dass schon die Definition von Life-Science-Immobilien schwierig ist.
„Das ist ein zu Tode gebrandetes Thema, jeder macht was er will“, sagt Thomas Beyerle vom Immobilienberater Catella. So fallen Forschungslabore, Wissenschaftler-Büros und Verwaltungsbauten genauso in die Kategorie wie Lager und Fabriken. Einen Boost habe der Bereich vor allem bekommen, als der deutsche Impfstoff-Champion BioNTech die Produktionsanlage in Marburg übernommen habe. „Über Nacht war auf einmal alles Life Science.“
BioNTech hatte im September 2020 von dem Schweizer Pharmariesen Novartis die Anlage, die damals rund 300 Mitarbeiter und den Mietvertrag für das Gebäude übernommen, das zu den bekannten Behringwerken gehört. Betreiber des Industrieparks ist die Standortmanagement-Firma Pharmaserv. Bei BioNTech sind in den vergangenen Jahren zum Mainzer Gründungsstandort mit der Adresse „An der Goldgrube“ mehrere Niederlassungen hinzugekommen. Die meisten Gebäude seien gemietet, teilt BioNTech auf Anfrage mit.
DATENSCHUTZ UND SICHERHEIT – FORSCHUNG HINTER DEM ZAUN
Damit gehört der mRNA-Vakzin-Pionier nach Einschätzung von Catella-Experte Beyerle eher zu den Ausnahmen. Rund 90 Prozent der Life-Science-Flächen seien in Deutschland im Besitz der Unternehmen selbst, schätzt Beyerle, der auch Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Biberach ist. Bei der akademischen Forschung stehe oft die öffentliche Hand hinter den Gebäuden. Dies seien Gründe, warum der deutsche Life-Science-Immobilienmarkt hinter den USA hinterherhinke.
Ähnlich sieht es auch die Immobilienberatungsgesellschaft CBRE. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen nutzten viele Firmen in Deutschland ihre eigenen Immobilien, sagt Jan Linsin, Leiter Immobilienmarktforschung CBRE Deutschland. „Hier ist es mit der Forschung ähnlich wie bei Flughäfen – alles spielt sich eher hinter dem Zaun ab. Und was hinter dem Zaun ist, ist hochsicherheitssensibel.“ Doch es komme Bewegung in den Markt. „Wir beraten derzeit mehr und mehr Investoren, meist ausländische, die sich diese Assetklasse anschauen.“
Aber selbst auf europäischer Ebene, wo mit boomenden Biotech-Clustern in Großbritannien und den Niederlanden die Nachfrage größer ist, spielen Life-Science-Bauten insgesamt eine untergeordnete Rolle. Solche Objekte machten 2020 weniger als ein Prozent der Immobilien-Investitionen aus, wie das Urban Land Institutes (ULI) errechnet hat. Wenn Life-Science-Immobilien gefragt sind, dann laut Experten an bereits etablierten Standorten wie dem Biotech-Cluster Martinsried, wo das Gilead-Haus kürzlich den Besitzer wechselte.
KLEINER MARKT – STEIGENDE PREISE
Union Investment will den Verkauf denn auch nicht als grundsätzlich mangelndes Interesse an derartigen Objekten verstanden wissen. Hintergrund sei vielmehr, dass Größe und Alter des 1999 fertiggestellten Business Centers nicht mehr in die Strategie des Fonds passten. Tatsächlich wolle Union Investment den Anteil alternativer Immobilientypen, zu denen auch Life-Science-Ojekte zählen, weiter ausbauen, erklärte eine Sprecherin.
Grundsätzlich sieht Union Investment in solchen Immobilien allerdings keine eigenständige Assetklasse, in der sich größere Investitionsvolumina platzieren ließen. Die Deutsche-Bank-Tochter DWS und das Sparkassen-Fondshaus Deka winken bei dem Thema ganz ab.
Family Office Pamera dagegen hätte schon gern vergangenes Jahr bei einem Objekt in Tübingen zugeschlagen. Doch dort sei die Firma überboten worden, sagt Pamera-Chef Zapp. Mit Corona seien Life-Science-Objekte ins Rampenlicht gerückt, wohl nicht nur vorübergehend. Zu wenig Angebote limitierten den Markt, was die Preise nach oben treibe. „Es gibt nicht so viele flexibel nutzbare Objekte mit einem guten Mieter an einem guten Biotech-Standort.“
Investoren nehmen Labor-Immobilien genauer unter die Lupe
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