Update Berlin, 06. Sep – Die geplanten Entlastungen von Bürgern und Unternehmen im Volumen von 65 Milliarden Euro sind laut Finanzministerium möglich, ohne die Schuldenbremse 2023 aufzugeben. Es gebe Spielräume im Haushalt und auch höhere Steuereinnahmen in diesem und im nächsten Jahr, sagte Florian Toncar, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, am Dienstag zur Eröffnung der Haushaltswoche im Bundestag. Die Regierung wolle diese Mehreinnahmen zurückgeben. Deswegen seien die Entlastungen drin. „Mehr zu tun, ist dem Bund nicht möglich.“ Die Opposition kritisierte, der Haushalt sei eine Mogelpackung. Die Entlastungen kämen zudem viel zu spät.
Der im Juli vom Kabinett beschlossene Entwurf für den Haushalt 2023 sieht eine Neuverschuldung von 17,2 Milliarden Euro vor, womit die Schuldenbremse wieder eingehalten wird. „Es ist ein schwieriger Schritt“, so Toncar, der Finanzminister Christian Lindner (FDP) vertrat, der wegen eines Trauerfalls fehlte. In diesem Jahr ist noch eine Neuverschuldung von knapp 139 Milliarden Euro vorgesehen. Toncar sagte, die im Grundgesetz verankerte, aber seit 2020 wegen der Corona-Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse sei kein Fetisch. „Sie ist einzuhalten.“
Oberste Priorität für Lindner sei es, die Ursachen der Inflation zu bekämpfen, die in Deutschland derzeit auf dem höchsten Niveau seit Jahrzehnten liegt und vor allem Ärmere übermäßig trifft. Es gehe darum, schnell unabhängiger von russischen Energielieferungen zu werden. Außerdem werde die Erhöhung des CO2-Preises um ein Jahr verschoben. Die Mittelschicht werde besonders von der Bekämpfung der Kalten Progression profitieren, der Anpassung des Steuersystems an die Inflation, erklärte FDP-Politiker Toncar.
Im Bundestag wird ab Dienstag vier Tage über den Bundeshaushalt und die Pläne für die einzelnen Ministerien debattiert. Im November sollen dann letzte Änderungen festgelegt und das Budget verabschiedet werden.
MOGELPACKUNG?
Die echte Neuverschuldung liege bei 78 Milliarden Euro, sagte der CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm und verwies auf entsprechende Zahlen des Bundesrechnungshofes. „Der Haushalt ist eine reine Mogelpackung.“ Außerdem fehlten die in Aussicht gestellten 65 Milliarden Euro komplett. FDP-Chef Lindner hatte am Wochenende gesagt, für die Bundeshaushalte 2022 und 2023 würden sich Belastungen von etwa 32 Milliarden Euro ergeben. Diese Summe könne aber mit den Mehreinnahmen und Einsparungen abgebildet werden, ohne dass ein Nachtragshaushalt nötig werde.
Der Staat profitiert derzeit vor allem bei der Umsatzsteuer als auch der Einkommenssteuer von der hohen Inflation. Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern lagen in den ersten sieben Monaten des Jahres trotz schwacher Konjunktur knapp 15 Prozent über dem Vorjahresniveau. SPD-Haushaltspolitiker Dennis Rohde versprach, der Staat werde seine „Übergewinne“ nicht behalten. Das müssten die Landesregierungen aber auch machen. Sie bekommen mittlerweile einen größeren Teil der Steuereinnahmen ab als der Bund.
Die AfD warf der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP vor, zu wenig gegen die massiv gestiegenen Energiekosten zu tun. Deutschland habe die höchsten Strompreise der Welt. Viele Firmen würden deswegen abwandern oder müssten aufgeben, so AfD-Haushaltspolitiker Peter Boehringer. Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch sagte, krisenbedingte Sondergewinne von Konzernen müssten mit einer eigenen Steuer abgeschöpft werden. Das könne 100 Milliarden Euro in die Kasse spülen und die Krise entschärfen.
Finanzministerium – Neue Entlastungen trotz Schuldenbremse möglich
Quelle: Reuters
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