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FDP lässt Impfpflicht von SPD und Grünen scheitern

Berlin, 07. Apr (Reuters) – Die über Monate umstrittene Einführung einer Corona-Impfpflicht in Deutschland ist gescheitert. Im Bundestag verfehlte der Gesetzentwurf für eine Impfpflicht ab 60 am Donnerstag deutlich die erforderliche Mehrheit. In namentlicher Abstimmung gab es 296 Ja-, aber 378 Nein-Stimmen bei neun Enthaltungen. Während die sehr große Mehrheit der SPD- und Grünen-Politiker für einen Kompromiss einer Impfpflicht ab 60 Jahren stimmte, votierte der Koalitionspartner FDP fast geschlossen dagegen. Laut dem Abstimmungsprotokoll des Bundestages kamen aus der FDP-Fraktion 79 Nein- und fünf Ja-Stimmen. 

Mit Blick auf den Koalitionspartner FDP und Verweis auf ethische Fragen bei der Impfpflicht hatte die Ampel die Regel aufgehoben, dass Mitglieder einer Bundestagsfraktion einheitlich abstimmen. Das Scheitern gilt dennoch auch als Niederlage für Bundeskanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Karl Lauterbach und die Grünen. Beide SPD-Politiker hatten sich ebenso wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann für eine Impfpflicht eingesetzt, ursprünglich sogar ab 18 Jahren. Lauterbach reagierte enttäuscht auf das Scheitern: „Jetzt wird die Bekämpfung von Corona im Herbst viel schwerer werden.“ 

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In Regierungskreisen wird nach Reuters-Informationen nicht ausgeschlossen, dass es bei wieder stark steigenden Infektionszahlen im Herbst oder dem Auftreten einer neuen Virus-Variante eine erneute Debatte über die Impfpflicht geben wird. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zweifelt nun aber an der weiteren Umsetzung der seit Mitte März geltenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht. „Dass die Gesundheitsämter jetzt noch Arbeitsverbote für ungeimpfte Personen im Gesundheitswesen aussprechen, halte ich für nicht vorstellbar“, sagte DKG-Vorstandschef Gerald Gaß der „Rheinischen Post“. 

KOMPROMISSVORSCHLAG NICHT AUSREICHEND

Zuletzt hatten sich die Befürworter einer Impfpflicht ab 18 und einer Impfpflicht ab 50 in der Ampel-Koalition zusammengetan und einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt. Danach sollte ab Oktober eine Impfpflicht ab 60 Jahren gelten und eine sofortige Beratungspflicht für alle ab 18. Im September hätte dann entschieden werden sollen, ob es auch eine Ausweitung der Impfpflicht für alle Erwachsenen geben soll. Die oppositionelle Union hatte einen Alternativ-Antrag vorgelegt, der eine abgestufte Vorrats-Impfpflicht vorsah. Sie hatten zudem den Aufbau eines Impfregisters als Grundlage gefordert. Ihr Antrag erhielt nur 172 Ja-Stimmen. 

Von Impfbefürwortern in der Regierung wurde kritisiert, dass die Entscheidung über die Impfpflicht bis in den April verzögert wurde – also einem Zeitpunkt, zu dem die Infektionszahlen wieder sinken und deshalb die Dringlichkeit nicht so klar erkennbar ist.

Darauf verweist nun die FDP-Spitze: Derzeit fehlten die Voraussetzungen einer Impfpflicht und Klarheit, ob dies im Herbst der Fall sei, heißt es in einer Erklärung des Ampel-Koalitionspartners, die unter anderem Parteichef und Finanzminister Christian Lindner, Justizminister Marco Buschmann, Fraktionschef Christian Dürr und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger unterzeichneten. „Im Moment lässt sich unserer persönlichen Überzeugung nach eine Impfpflicht … nicht ausreichend gut begründen.“ Dies lässt eine Tür für eine erneute Debatte im Herbst offen. 

VORSORGE ODER FEHLENDE VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT? 

In einer heftigen, aber sachlich geführten Debatte hatte der Bundestag zuvor stundenlang um die Einführung der Impfpflicht gerungen. Befürworter warnten vor einer drohenden neuen Eskalation der Pandemie im Herbst, gegen die man gewappnet sein müsste. Die Gegner verwiesen auf Grundrechtseingriffe durch eine Impfpflicht und betonten die Unsicherheit, ob es überhaupt zu einer erneuten Zuspitzung der Corona-Lage kommen werde. 

Lauterbach warb für den vorgelegten Kompromiss mit dem Argument, dass im Oktober wieder 200 bis 300 Menschen täglich an Covid sterben könnten: „Wollen wir das akzeptieren?“ Hintergrund ist die im internationalen Vergleich niedrige Impfquote in Deutschland. Am Donnerstag waren nach Angaben der Regierung immer noch 19,5 Millionen Menschen oder 23,4 Prozent der Bevölkerung nicht geimpft. 

Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Sepp Müller hatte eine jetzige Impfpflicht als „weder verhältnismäßig noch geeignet“ kritisiert. Auch AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel und der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki bekräftigten ihre Ablehnung. Weidel sagte, diese wäre verfassungsfeindlich und eine „totalitäre Anmaßung“. Kubicki verwies auf die im Schnitt schwächeren Krankheitsverläufe bei der Infektion mit der Virusvariante Omikron, weshalb keine Grundrechtseingriffe zulässig seien. 

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag 201.729 Ansteckungen binnen 24 Stunden. Das sind 73.172 weniger als vor einer Woche. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank zugleich weiter deutlich auf 1251,3 von 1394,0 am Vortag. Den dritten Tag in Folge meldete das RKI aber mehr als 300 Corona-Tote. 328 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten in Kliniken war am Donnerstag auf 2020 gesunken.

FDP lässt Impfpflicht von SPD und Grünen scheitern

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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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