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Die neue Unübersichtlichkeit – Vorstandsgehälter kaum vergleichbar

München, 13. Apr (Reuters) – Der Sieger in der Gehalts-Rangliste der deutschen Top-Manager dürfte klar sein: Rubin Ritter, bis Mitte 2021 Co-Chef des Online-Modeversenders Zalando, hat im vergangenen Jahr – vor allem dank Aktienoptionen – 89 Millionen Euro verdient.

Doch dahinter wird es so unübersichtlich wie lange nicht. Denn die Vorstandsgehälter in den Vergütungsberichten der Dax-Unternehmen sind kaum mehr vergleichbar. Die in Führungsetagen, Arbeitnehmervertretern und von Investoren jedes Jahr mit Spannung erwarteten Rankings fallen diesmal aus. Grund ist eine neue EU-Richtlinie, die überdies nach Ansicht von Experten in Deutschland mangelhaft umgesetzt wurde. 

„Was wir heute sehen, ist Chaos mit Ansage“, schimpft Michael Kramarsch von der Frankfurter Vergütungsberatung hkp. „Und Besserung ist nicht in Sicht. Um zu vergleichen muss man jetzt Annahmen treffen, die auf wackligen Beinen stehen.“ Hkp hat deshalb gleich die Finger davon gelassen, eine Rangliste zu erstellen. Den Aufsichtsräten, die die Vorstandsgehälter festlegen, sei die geringere Transparenz vielleicht gar nicht so unrecht, unkt Kramarsch.

Die Vorstandsgehälter in börsennotierten Unternehmen setzen sich meist aus drei Teilen zusammen: Der geringste ist in der Regel das Fixgehalt, dazu kommen variable Bestandteile (Boni), die der Manager für seine Leistung im abgelaufenen Jahr erhält, und Langfrist-Boni – meist in Form echter oder virtueller Aktien -, die erst nach Jahren ausgezahlt werden, falls sich die Firma weiterhin gut entwickelt hat. Doch wie hoch die Langfrist-Boni letztlich ausfallen, steht erst am Ende der Wartefrist fest, Maximal- und Minimalbeträge klaffen oft stark auseinander.

Die meisten Investoren blickten daher auf den „Zufluss“ – also den Betrag, der im jeweiligen Jahr brutto auf dem Konto und im Betriebsrenten-Topf der Manager landet: das Fixgehalt, die Jahresboni und die Langfrist-Vergütungen aus früheren Jahren, die ausgezahlt wurden. Denn ihnen geht es vor allem darum, zu prüfen, ob das Vergütungssystem noch etwas taugt, über das sie auf der Hauptversammlung abstimmen.

SCHLECHT ÜBERSETZT

„Goldstandard“ für den Vergleich waren bisher die Vorlagen der deutschen Corporate-Governance-Kommission – doch die Muster gibt es nicht mehr, weil das Aktiengesetz andere Vorgaben macht. „Man hat eine europaweit vorbildliche Regelung mit klaren Vorgaben sang- und klanglos vom Tisch gewischt, ohne einen vernünftigen Ersatz zu haben“, klagt Kramarsch. Stattdessen findet sich im Gesetz nun eine „gewährte und geschuldete Vergütung“ – eine schlechte oder sogar irreführende Übersetzung aus dem Englischen, wie die Aktienrechts-Experten Jochen Vetter und Patrick Hell von der Großkanzlei Hengeler Mueller kritisieren.

Was das für den Vergütungsbericht bedeutet, darüber stritten zum Jahreswechsel Unternehmen und ihre Wirtschaftsprüfer. Einige stellten sich auf den Standpunkt, dass in den Tabellen nun die Boni aus dem Jahr 2020 aufgeführt werden müssten, weil die variablen Vergütungen für das Jahr 2021 ja erst im Frühjahr 2022 ausgezahlt würden. Andere blieben bei der bisherigen Praxis.

Der Vergleich zum Vorjahr: ebenfalls nicht mehr vorgeschrieben. Die Beiträge für die Altersvorsorge fallen ganz unter den Tisch, wenn die Unternehmen sie nicht freiwillig angeben. „Die muss man jetzt mühsam anderswo suchen“, sagt Kramarschs Kollegin Regine Siepmann. Dabei lassen sich viele die Manager-Renten erhebliche Summen kosten. Bei Commerzbank-Chef Manfred Knof etwa machen sie 1,85 Millionen Euro aus – bei einer Gesamtvergütung von 3,92 Millionen.

Einer der Top-Verdiener im Dax ist Deutsche-Post-Chef Frank Appel. Das war auch im vergangenen Jahr so, wie aus dem Vergütungsbericht hervorgeht. Der Bonner Logistik-Konzern hat sich dabei nach eigenen Angaben so weit wie möglich an den alten Mustertabellen orientiert.

Danach kam Appel einschließlich Versorgungsaufwand, der Kurzfrist-Boni für 2021 und ausgezahlter Langfrist-Boni aus den Jahren 2014 bis 2019 auf 11,86 (2020: 10,03) Millionen Euro. Nach der Definition der „gewährten und geschuldeten Vergütung“, also dem neuen Standard, wären es nur 9,67 Millionen, auch weil hier die Jahres-Boni von 2020 statt von 2021 berücksichtigt werden.

Die neue Unübersichtlichkeit – Vorstandsgehälter kaum vergleichbar

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Titelfoto: Symbolfoto

Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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