Berlin, 10. Mrz (Reuters) – Der deutsche Großhandelsverband BGA rechnet mit einer dauerhaften Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen zu Russland durch den Krieg in der Ukraine.
Mit den Sanktionen gegen Russland und Gegenmaßnahmen der Regierung in Moskau werde der Handel nachhaltig geschädigt, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura am Donnerstag. Viele Firmen hätten sich bereits freiwillig zurückgezogen. Wegen Verstaatlichungen in Russland tendiere die Investitionsbereitschaft zudem gegen null, ergänzte BGA-Hauptgeschäftsführer Antonin Finkelnburg.
Der Verband fürchtet in mehreren Bereichen Engpässe, weil die Lager sich leeren könnten und der Nachschub nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in manchen Fällen nicht mehr funktioniere. Neben der starken Abhängigkeit im Energiebereich könnten davon Aluminium-Produzenten und der Lebensmittelhandel betroffen sein, letzterer zum Beispiel bei Getreideprodukten. Auch Zellstoffe könnten knapp werden, also etwa Toilettenpapier und Küchenrollen. Weitere Beispiele könnten chemische Reinigungsmittel, Honig und Zander werden.
Der BGA warnte zugleich vor Panik: „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist eine künstliche Verknappung durch Hamsterkäufe.“ Knappheiten führten nicht automatisch zu leeren Regalen. Oft könnten Produkte zu höheren Preisen und mit längeren Lieferzeiten anderweitig als aus der Ukraine oder Russland bezogen werden.
KONJUNKTURPROGNOSEN NICHT MEHR AUSSAGEKRÄFTIG
Die Konjunkturprognosen seien jetzt Makulatur, sagte Jandura. Viele Ökonomen hatten vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine noch mit einem Wirtschaftswachstum in Deutschland von drei Prozent und teilweise mehr gerechnet. In einer aktuellen BGA-Umfrage unter mehreren Hundert Firmen gaben nun 60 Prozent an, mit einer Verlangsamung zu rechen. 32 Prozent betonten, der Erholungsprozess von der Corona-Krise werde unterbrochen. Eine Rezession fürchten aber nur sieben Prozent der Firmen.
„Bei einem Außenhandelsvolumen von knapp 60 Milliarden Euro mit Russland und 8,5 Milliarden Euro mit der Ukraine sind Auswirkungen des Krieges unvermeidbar“, so Jandura. Von den verhängten Sanktionen gegen Russland sind laut Umfrage 26 Prozent der deutschen Großhändler stark betroffen, fünf Prozent sogar sehr stark. Trotzdem trage die Groß- und Außenhandelsbranche die Maßnahmen mit. 52 Prozent der Unternehmen gaben an, die Sanktionen seien angemessen, 37 Prozent plädierten für eine Ausweitung.
Die Betriebe spüren vor allem die zuletzt sprunghaft gestiegene Inflation. 60 Prozent sehen sich mit massiv erhöhten Einkaufspreisen konfrontiert. 55 Prozent gaben an, die hohen Energiepreise trieben die eigenen Kosten nach oben. „Ein Rückgang der Inflation von einem Niveau von rund fünf Prozent ist deshalb mittelfristig nicht zu erwarten“, so Jandura.
Wegen der schon seit längerem gestörten Lieferketten wollen viele Unternehmen auf andere Zulieferer zurückgreifen, 47 Prozent gaben allerdings an, dafür Zeit zu brauchen. Als Prioritäten für die Politik nannten 83 Prozent der Betriebe, die Energieversorgung sicherzustellen, etwa durch mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetze. 65 Prozent klagten über zu viel Bürokratie und zu langsame Genehmigungsverfahren.
BGA fürchtet dauerhafte Schädigung des Handels mit Russland
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.