UPDATE Berlin, 11. Nov – Vor dem Hintergrund der Energiekrise und einer drohenden Rezession gibt es in Deutschland deutlich mehr Firmenpleiten. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen stieg im Oktober um 18,4 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Im September hatte es noch einen Rückgang um 20,6 Prozent gegeben. Die Daten zeigten, „dass sich die Unternehmensinsolvenzen weiter auf einem Tiefstand befinden“, sagte der Vorsitzende des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), Christoph Niering. Anders als erwartet zeige das monatliche Auf und Ab keine eindeutige Tendenz nach oben. „Auf diesem Niveau ist weder eine Normalisierung der Insolvenzzahlen noch eine Insolvenzwelle in Sicht.“
Die Angaben der Behörde basieren auf den Bekanntmachungen der Amtsgerichte. Sie gehören allerdings zu den sogenannten experimentellen Daten, die noch nicht die methodische Reife und Belastbarkeit amtlicher Statistiken aufweisen. Als Frühindikator gibt die Zahl der beantragten Regelinsolvenzverfahren jedoch Hinweise auf die Entwicklung der Firmenpleiten nach der amtlichen Insolvenzstatistik, deren Ergebnisse erst rund zwei Monate später verfügbar sind.
Nach endgültigen Ergebnissen haben die Amtsgerichte im August 1147 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet und damit 11,5 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Im Juli war die Zahl der Firmenpleiten zum Vorjahresmonat noch um 3,8 Prozent gesunken. Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus den im August gemeldeten Insolvenzen bezifferten die Gerichte auf rund 0,8 Milliarden Euro. Im August 2021 hatten sie bei rund 8,2 Milliarden Euro gelegen, da mehr wirtschaftlich bedeutende Firmen nehmen insolvent wurden als im August dieses Jahres.
Die meisten Pleiten gab es im Baugewerbe mit 198 Fällen – ein Plus von 4,2 Prozent zum Vorjahresmonat. Die Branche leidet unter Lieferengpässen, steigenden Preisen und wegen der Krise zunehmend unter Stornierungen von Projekten. Im Handel (samt Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) kam es zu 167 Verfahren und damit 18 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Der VID erwartet erst deutlich mehr Insolvenzen, wenn die staatlichen Gelder zielgerichtet und nicht unabhängig von der Zukunftsfähigkeit der Firmen ausgezahlt würden. „Viele Unternehmen hoffen scheinbar weiter auf staatliche Hilfen, auch dann, wenn sich deren Krisenursachen nicht allein mit staatlichen Finanzhilfen lösen lassen“, sagte VID-Chef Niering.
Hohe Energiepreise, knappe Rohstoffe, stark verändertes Konsumverhalten und Arbeitskräftemangel belasteten die Betriebe. „Viele Unternehmen befinden sich derzeit in einer gefährlichen Zwickmühle“, warnte Niering. Sie kämpften mit höheren Kosten, auch bei Löhnen. Zugleich fehlten ihnen oft Arbeitskräfte und Zulieferteile, um mit mehr Umsatz diese Mehrkosten aufzufangen. „Gleichzeitig wird der Arbeitskräftemangel durch die staatlichen Stützungsmaßnahmen im Gießkannenprinzip nicht behoben, sondern verfestigt.“ Kurzarbeitergeld oder andere Staatshilfen für unproduktiv gewordene Firmen „binden Arbeitskräfte, die zukunftsfähige Unternehmen dringend benötigen“.
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sank derweil im August auf Jahressicht um 6,9 Prozent. Im vorigen Jahr gab es sehr viele Verbraucherpleiten, weil sich die Frist für einen wirtschaftlichen Neuanfang von sechs auf drei Jahre verkürzte und viele überschuldete Personen deshalb mit ihrem Antrag warteten. „Dieser Nachholeffekt sorgte ab Anfang 2021 für einen starken Anstieg der Verbraucherinsolvenzen und scheint inzwischen beendet“, erklärten die Statistiker.
Fast ein Fünftel mehr Insolvenzen im Oktober – Baubranche betroffen
Quelle: Reuters
Titelfoto: Bild von Talpa auf Pixabay
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