Berlin, 10. Okt – Nach der niedersächsischen Landtagswahl wächst in Berlin die Sorge um die Stabilität der Ampel-Bundesregierung. Mehrere führende Politiker von SPD und Grünen riefen dazu auf, Ruhe in der Koalition zu wahren. „Das würde ich jedem Partner in der Koalition raten, sich nicht an anderen abzuarbeiten“, sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, am Montagmorgen in der ARD. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil kritisierte gegenüber den TV-Sendern RTL/ntv, dass es in den vergangenen Wochen zuviel Streit zwischen SPD, Grünen und FDP gegeben habe.
Auslöser ist, dass die Liberalen am Sonntag in Niedersachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte den Koalitionspartnern in Berlin noch am Abend schwere Vorwürfe gemacht und angekündigt, dass die Liberalen an diesem Montag in den Parteigremien über die Konsequenzen debattieren würden. Und in der Ampel-Koalition stehen schwierige Debatten über die Finanzierung von Maßnahmen zur Dämpfung der Energiepreise an. Die Bundesländer wollen weitere Bundeshilfen etwa für den Öffentlichen Nahverkehr und die Flüchtlingsbetreuung. Die FDP hatte zudem in den vergangenen Tagen gefordert, dass die Atomkraftwerke noch bis 2024 laufen sollten, was SPD und Grüne ablehnen. Laut infratest dimap wirft ein Teil der FDP-Anhänger der Partei vor, als Teil der Ampel-Koalition zu viele neue Schulden akzeptiert zu haben.
Auch Grünen-Chef Omid Nouripour hatte SPD, Grüne und FDP gemahnt, sie sollten nun zusammenzustehen. „Unterm Strich ist die Zusammenarbeit gut – bei allen Differenzen, die wir haben“, hatte er dem Sender Phoenix gesagt. Der SPD-Vorsitzende Klingbeil mahnte: „Was aufhören muss ist, dass wir auf die Politik der Ampel gucken und vermessen welche Partei hat sich wie durchgesetzt? Da war in den letzten Wochen zu viel öffentlicher Streit, da war zu viel Debatte. Auch das muss anders sein.“
SPD SIEGT BEI NIEDERSACHSEN-WAHL UND WILL ROT-GRÜN
Die SPD hatte die Landtagswahl in Niedersachsen am Sonntag nach dem vorläufigen Endergebnis gewonnen. Die Sozialdemokraten kamen demnach auf 33,4 (2017: 36,9) Prozent der Stimmen. Ihr bisheriger Koalitionspartner CDU verzeichnete große Verluste und erreichte 28,1 Prozent (2017: 33,6). Die FDP verpasste mit 4,7 Prozent den Einzug ins Parlament. Die Grünen gewannen deutlich hinzu und kamen auf 14,5 Prozent (2017: 8,7). Auch die rechtsgerichtete AfD legte deutlich zu und konnte mit 10,9 Prozent (2017: 6,2) ihr bisher bestes Ergebnis in Niedersachsen erzielen. Die Linken scheiterten dagegen mit 2,7 Prozent abermals an der Fünf-Prozent-Hürde (2017: 4,6 Prozent). Politiker von SPD und CDU gaben sich gegenseitig die Schuld für das starke Abschneiden der Rechtspartei AfD. Diese konnte laut Analysen der Wahlforscher auch Wähler sowohl aus CDU, FDP und SPD für sich gewinnen.
Als Zugpferd wirkte bei der SPD nach Angaben von infratest dimap vor allem der Amtsbonus für Ministerpräsident Stephan Weil. Die Sozialdemokraten konnten zudem vor allem bei älteren Frauen zulegen, während die Grünen ihren Stimmenanteil bei jüngeren Wählerinnen und Wähler deutlich verbesserten. Der SPD-Politiker Weil sprach sich noch am Sonntagabend für eine Koalition mit den Grünen aus. Deren Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg befürwortet ebenfalls eine rot-grüne Koalition im Land.
CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann gab seinen Rückzug von der Parteispitze in Niedersachsen bekannt. CDU-Generalsekretär Mario Czaja sprach von einem „bitteren Ergebnis“ für die CDU, wies aber Vorwürfe an einer Mitschuld von CDU-Chef Friedrich Merz zurück. Auf Bundesebene liege die Union deutlich vor der SPD. Weil habe in Niedersachsen auch mit seiner Kritik am Kurs der Ampel-Regierung gepunktet. Mehrere SPD- und Grünen-Politiker warfen Merz dagegen vor, er habe mit seiner Bemerkung zum „Sozialtourismus“ ukrainischer Kriegsflüchtlinge gezielt um AfD-Wähler geworben. Merz hatte sich für die Bemerkung entschuldigt.
Ampel-Regierung ringt nach Niedersachsen-Wahl um Einheit
Quelle: Reuters
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