Palanca, 12. Mrz (Reuters) – Aus Sumy im Nordosten der Ukraine komme sie, berichtet die junge Frau, während sie irgendetwas im Kofferraum ihres Kleinwagens sucht. „Wir sind sofort geflohen, als die Stadt bombardiert wurde.“ Wir, das sind sie und ihre beiden Kinder im Alter von vier und zwölf Jahren. „So, wie wir angezogen waren, sind wir gefahren.“
Sie beantwortet freundlich die Fragen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die sich am Samstag ein Bild verschafft von der Lage in dem kleinen moldauischen Ort Palanca an der ukrainischen Grenze. Manchmal huscht der Ukrainerin ein Lächeln über die Lippen. Sie scheint erleichtert, den etwa 860 Kilometer weiten Weg unbeschadet überstanden zu haben.
Die Frau steht mit ihrem Auto bereits auf moldauischem Boden. Sie scheint es trotz aller Widrigkeiten besser zu haben als viele andere, die hier ankommen. In einer Schlange ein paar Meter entfernt stehen Hunderte Menschen, zumeist Frauen und Kinder, die auf die Erlaubnis der Grenzschützer warten, in die Republik Moldau einzureisen.
Sie sehen erschöpft aus, in den Augen der Frauen spiegelt sich vielfach Trauer, aber auch Erleichterung, es mit den Kindern bis hierher geschafft zu haben. Nach Angaben der Regierung in Chisinau sind seit Beginn des Krieges am 24. Februar rund 300.000 Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen. Etwa 200.000 davon seien weitergereist zu Freunden oder Verwandten in anderen Ländern. Die übrigen 100.000 Menschen befinden sich noch im Land. Moldau selbst zählt rund 2,6 Millionen Einwohner und ist eines der ärmsten Länder Europas.
Nach Angaben eines Grenzpolizisten kommen derzeit allein in Palanca etwa 4000 bis 5000 Menschen pro Tag an. Zu Beginn des Krieges seien es noch bis zu 12.000 gewesen. Dennoch rechnet man hier mit dem Schlimmsten, vor allem dann, wenn Odessa angegriffen wird. Die ukrainische Hafenstadt am Schwarzen Meer liegt nur etwa 65 Kilometer von Palanca entfernt. Der russische Vormarsch in dem Gebiet scheint sich in den vergangenen Tagen zwar etwas verlangsamt zu haben. Aber auch Baerbock befürchtet, dass sich die Lage weiter zuspitzen werde. Klar sei, „wenn Odessa fallen sollte, es hier natürlich auch mit Blick auf das eigene Land sehr, sehr große Sorgen gibt.“
„WEITERES MUSS FOLGEN“
Um so beeindruckter zeigt sich die Ministerin davon, was von der moldauischen Regierung, von Hilfsorganisationen und von Ehrenamtlichen an der Grenze geleistet wird. „In einem Hilfszelt haben 14-, 16-, 18-jährige Schülerinnen Essen ausgegeben, um den Menschen, die alles zurückgelassen haben, ihre Liebsten, ihr Haus, ihre Heimat, ein bisschen Schutz zu geben“, berichtet Baerbock.
Die Behörden vor Ort versuchen, die Menschen schnellstmöglich mit Bussen aus dem Grenzgebiet zu bringen. Für Gestrandete, die ohne Auto ankommen und zunächst gar nicht wissen, wie es weitergeht, wurde ein provisorisches Zeltlager errichtet. Hier können die Menschen zumindest ein oder zwei Nächte bleiben, haben es nicht so kalt und sind vor Nässe geschützt, bevor ihnen weitergeholfen wird.
Das funktioniert bislang alles ganz gut – so scheint es. „Aber das kann auf die nächsten Wochen nicht allein von Moldau gestemmmt werden, insbesondere wenn sich die Situation noch weiter verschlechtern sollte“, sagt Baerbock. „Je heftiger der Krieg wird, je mehr Menschen auch verletzt werden, auf der Flucht sind und gar nichts mehr mitnehmen können, desto mehr wird hier auch eine Unterstützung gebraucht.“ Als einen ersten Schritt kündigt sie an, dass 2500 ukrainische Flüchtlinge von Moldau aus direkt nach Deutschland gebracht werde. „Aber Weiteres muss folgen.“
„Wir sind sofort geflohen“ – Baerbock an ukrainischer Grenze
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