Samstag, April 27, 2024
StartClose UpDer Trick mit dem Engpass: „Versteckte“ Ressourcen nutzen 

Der Trick mit dem Engpass: „Versteckte“ Ressourcen nutzen 

Inflation und Rezession, problematische Lieferketten und Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit und Klimaschutz – all das fordert Unternehmen, neben dem „ganz normalen“ Daily-Business. Eine Herausforderung jagt die nächste. Die Welt ist – Vorsicht Buzz-Word – volatiler denn je. Zum Glück gibt es Ansätze, um mit diesen Herausforderungen professionell umzugehen, sie systematisch aufzudröseln. Einer davon ist die Theory of Constraints, die Wissenschaft der Engpässe, von Eliyahu M. Goldratt.

Es fehlt immer an Ressourcen

Grundlegend ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass nicht der Markt die Grenzen setzt, sondern es im Unternehmen selbst einen Engpass gibt: Sales, Produktentwicklung, die Produktion selbst. Politische, soziale und ökonomische Umwälzungen führen dazu, dass immer neue und mehr Anpassungen am Produkt notwendig sind. Es muss umkonstruiert und umdesignt werden. Verschiebungen im Markt bedingen neue Funktionen, etwa weil Teile nicht lieferbar sind oder Technologiewechsel stattfinden. Stets damit verbunden: Entwicklungsaufwand. Dumm nur, dass dafür zunehmend weniger Ingenieure verfügbar sind. Und falls doch, mangelt es an der nötigen Erfahrung am Produkt. Woran es fehlt, sind also immer die Ressourcen.

Ressourcen sichtbar machen

Was, wenn diese Ressourcen da wären, man sie nur nicht sehen würde? Um es deutlich zu sagen: Organisationen tragen Produktivitätssteigerungen praktisch in sich – sie müssen nur bereit sein, diese zu heben. Es soll also plötzlich ein Change her?! Auch das noch! Woher die Kapazitäten dafür nehmen? Die Experten, die Abteilungen, das gesamte Unternehmen arbeiten im Normalfall am Limit. Extern ist der Fachkräftemarkt leer. Und selbst wenn, „fressen“ neue Mitarbeiter durch Einarbeitung erstmal weitere Ressourcen. Die Lösung steckt im System, die Ressourcen sind bereits vorhanden, woran es hapert, ist der Engpass. 

Gefühl vs. Realität: Ein Engpass ist genug

Sehen wir uns komplexe Systeme genauer an, erkennt man: Es gibt immer nur EINEN entscheidenden Engpass. Auch wenn es an mehreren Ecken und Enden zu klemmen scheint. Auch wenn gefühlt Probleme auftauchen, wo man nur hinsieht. Alles länger dauert, als es muss. Anschaulich und (be-)greifbar wird die Problematik an einem Beispiel: 

Ein Flughafen beschäftigt tausende Mitarbeitende unterschiedlichster Berufsgruppen. Menschen mit verschiedenen, feinteiligen Motiven treffen in einem Wirkgefüge aufeinander. Was sie eint, ist das übergeordnete Ziel eines reibungslosen Betriebsablaufs. Dabei dreht sich letztlich alles um die Start- und Landebahn als betrieblicher Engpass. Aus Sicherheitsgründen darf sich auf jeder Bahn nur jeweils ein Flugzeug befinden. Sie sollte für optimale Auslastung also nicht leerlaufen – ebenso nicht versehentlich zwei Maschinen auf einer Bahn rollen. 

Diese Bild lässt sich auch auf andere Branchen und Unternehmen übertragen. 

Das Rezept: Alles am Engpass ausrichten

Wir alle denken, je früher wir anfangen, desto schneller werden wir fertig. Ein Problem, das uns letztlich schon seit der Schulzeit begleitet … Aber stimmt das wirklich? Können wir Termine besser einhalten, je mehr Zeit uns zur Verfügung steht? Kommt tatsächlich hinten mehr raus, wenn jeder Einzelne ausgelastet ist? Nein, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Wenn man alles sofort beginnt, ohne zu priorisieren oder zu staffeln, hat man viel offene Arbeit. Gibt man sich Zeit, sind die unerledigten Aufgaben immer im Kopf. Und versuchen wir alle zu beschäftigen, überlasten wir den Engpass. 

Um schnell(er) mehr zu erreichen und sich nicht in Aktionismus zu verlieren, braucht es lediglich vier einfache Schritte – und die nötige Motivation loszulegen:

  1. Den einen (meist verdeckten) Engpass erkennen.
  2. Ihn entlasten: Alle Aufgaben, die auch jemand anderes machen könnte, werden entsprechend delegiert.
  3. Der Engpass darf weder leer- noch überlaufen. Der Start neuer Projekte oder Aufträge orientiert sich am Engpass, damit dieser nie überlastet wird.
  4. Ein optimal ausgelasteter Engpass sorgt quasi automatisch für mehr Abschlüsse und Termintreue. Die Fertigstellungsrate steigt und mit ihr die Kapazität – bei gleichem Ressourceneinsatz.

Keine Zauberei: Doppelte Projektanzahl mit gleichen Ressourcen

Doppelt so viele Projekte in der gleichen Zeit mit den gleichen Ressourcen. Was zunächst wie Zauberei klingt, folgt der Logik einer engpassoptimierten Strategie. Wird der EINE Engpass nicht mehr überlastet, haben automatisch auch andere Ressourcen, Mitarbeiter und Teams mehr Zeit. Es wird also sichtbar, wo überall toll ausgebildete, erfahrene Mitarbeiter „frei“ sind, deren Arbeit es früher oft nicht durch den Engpass schaffte. Befähigen Unternehmen einen kleinen Teil der „freien“ Mitarbeiter, den Engpass zu unterstützen, steigt die Kapazität schnell um 50 bis 100 Prozent. Doppelt so viele Projekte in der gleichen Zeit mit den gleichen Ressourcen.

Wer wünscht sich nicht mehr Performance und zufriedene Mitarbeiter – gerade, wenn eine Herausforderung die nächste jagt? Wer den Trick mit dem Engpass kennt, erntet im Handumdrehen mehr Projekt-Performance, bis dato versteckte Kapazität und am Ende des Tages zufriedenere Mitarbeiter. Oder: Alles was man sich wünschen kann, um politische, soziale und ökonomische Umwälzungen erfolgreich zu meistern.

Autor

Wolfram Müller ist Experte für agiles Multiprojektmanagement sowie Gründer von BlueDolphin. Seine Passion: selbstorganisierte Veränderungen und Engpassmanagement. Über 40 Unternehmen, vom Start-up über den Mittelständler bis hin zu Konzernen in allen Branchen haben bisher von seinem Wissen und Methoden profitiert. 

Webseite

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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