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Taiwan analysiert Ukraine-Krieg für eigene Militärstrategie

Taipeh, 10. Mrz (Reuters) – Die russische Invasion in der Ukraine wird auch in einem anderen, weit entfernten Teil der Erde aufmerksam verfolgt: Taiwans Militärstrategen studieren das russische Vorgehen und den ukrainischen Widerstand genau. Sie wollen eine eigene Kampfstrategie für den Fall entwickeln, dass der riesige Nachbar China seine Drohung wahr macht, die Insel mit Gewalt einzunehmen.

Obwohl Taiwans Regierung bisher keine ungewöhnlichen Aktivitäten des chinesischen Militärs meldet, hat sie ihre Alarmstufe erhöht. Hintergrund ist, dass China die Insel als sein eigenes Territorium betrachtet und seine Rhetorik in den vergangenen Jahren deutlich verschärft hat.

Hauptaugenmerk der Sicherheitsexperten in Taiwan liegt auf Russlands Einsatz von Präzisionsraketen und dem offenbar effektiven Widerstand der zahlenmäßig und waffentechnisch unterlegenen Ukraine. Denn auch die taiwanischen Streitkräfte sind denen der kommunistischen Supermacht Chinas deutlich unterlegen. Die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen befürwortet deshalb eine „asymmetrische Kriegsführung“, um ihre Streitkräfte mobiler und schwerer angreifbar zu machen. Dazu dienen zum Beispiel auf Fahrzeuge montierte Raketen.

Die Ukraine habe dasselbe Konzept mit mobilen Waffen angewandt, um die russischen Streitkräfte zu schwächen, analysiert Ma Cheng-Kun, Direktor des Institute of China Military Affairs Studies an der Nationalen Defence University Taiwans. „Das ukrainische Militär hat die asymmetrische Kriegsführung sehr effektiv eingesetzt und Russlands Vormarsch bisher erfolgreich aufgehalten“, fügt Ma hinzu, der auch Regierungsberater für China-Politik ist. „Das ist genau das, was unsere Streitkräfte entwickelt haben“, sagt er und verweist auf Waffen wie die leichte, im eigenen Land entwickelte Kestrel-Schulterrakete zur Bekämpfung von Panzern, die für den Nahkampf entwickelt wurde. „Nach den Leistungen der Ukraine können wir noch zuversichtlicher sein.“ 

Taiwan hat zudem Raketen entwickelt, die weit nach China hineinreichen können. Das Verteidigungsministerium teilte vergangene Woche mit, die jährliche Raketenproduktionskapazität solle in diesem Jahr auf fast 500 verdoppelt werden, einschließlich der verbesserten Version der Hsiung Feng IIE-Rakete, sowie der Hsiung Sheng-Landrakete mit längerer Reichweite. Diese ist nach der Ansicht von Militärexperten in der Lage, Ziele weiter landeinwärts in China zu treffen.

TAIWANSTRASSE ALS NATÜRLICHE BARRIERE

Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen den Positionen Taiwans und der Ukraine: Taiwans Regierung hat beispielsweise wiederholt auf die Insellage und die natürliche Barriere der Taiwanstraße hingewiesen, die das Land von China trennt. Die Ukraine hat dagegen eine lange Landgrenze zu Russland und konnte von drei Seiten umzingelt werden.

Strategen zufolge kann Taiwan auch leicht Anzeichen für chinesische Militärbewegungen und Vorbereitungen für eine Invasion erkennen, bei der China Hunderttausende von Soldaten und Ausrüstung wie Schiffe mobilisieren müsste, die leicht von taiwanesischen Raketen erfasst werden könnten. Bei einer Invasion müsste China die Meerenge überqueren, „also ist es ein viel höheres Risiko“ für China, erläutert Su Tzu-yun, der an Taiwans führender militärischer Denkfabrik, dem Institute for National Defence and Security Research, forscht.

WERDEN DIE USA WIRKLICH HELFEN?

Es geht allerdings nicht nur um Hardware und Vorwarnzeiten. Im Hintergrund steht die immer wiederkehrende Debatte, ob die US-Streitkräfte Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs tatsächlich zu Hilfe kommen würden. Washington übt sich in dieser Frage in „strategischer Ambiguität“ und gibt keine klare Antwort auf die eine oder andere Frage. Lo Chih-cheng, ein ranghoher Abgeordneter der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei sagt, die Entsendung eines Teams hochrangiger ehemaliger Beamter durch die Regierung Biden nach Taiwan in der vergangenen Woche sollte den Eindruck zerstreuen, dass man sich nicht auf die Vereinigten Staaten verlassen könne. 

Der US-Besuch erfolgte wenige Tage, nachdem ein US-Kriegsschiff durch die Taiwanstraße, die China und Taiwan trennt, gefahren war. Das US-Militär bezeichnete dies als Routine, Peking hingegen sprach von einer „Provokation“. Um die klare Anbindung an den Westen zu betonen, hat sich Taiwan den Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine angeschlossen. 

Taiwan

Taiwan hofft als wichtiger Halbleiterproduzent für die Welt, dass es sich aufgrund seiner geografischen Lage und der Bedeutung seiner Lieferkette von der Ukraine unterscheidet. Doch die wiederholte Bekräftigung der Regierung Biden, keine Truppen in die Ukraine zu schicken, hat bei einigen in Taiwan Unbehagen ausgelöst. Auch Chao Chien-min, ein ehemaliger stellvertretender Leiter des taiwanischen Rates für sogenannte Festland-Angelegenheiten, der jetzt an der Chinesischen Kulturuniversität in Taiwan tätig ist, ist skeptisch: „Glauben die Menschen in Taiwan wirklich, dass der Westen und die Vereinigten Staaten uns noch retten werden?“

Taiwan analysiert Ukraine-Krieg für eigene Militärstrategie

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Titelfoto: Symbolfoto

Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.

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