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Sondieren inmitten von Kriegssorgen – Scholz verhandelt in Kiew und Moskau

Berlin, 13. Feb (Reuters) – Dass seine Antrittsbesuche in Kiew und Moskau sehr große Aufmerksamkeit bekommen würden, war Bundeskanzler Olaf Scholz schon lange klar. Aber angesichts der Warnungen von US-Geheimdiensten vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine vor dem Ende der Olympischen Winterspiele am 20. Februar erhalten seine Besuche am Montag und Dienstag eine dramatische Note. „Wir würden nicht sagen, dass das jetzt der letzte Versuch ist, einen Krieg zu verhindern“, hieß es in deutschen Regierungskreisen am Sonntag beschwichtigend.

Die Reisen des Kanzlers reihten sich vielmehr ein in die Krisendiplomatie, zu der auch die Kontakte des amerikanischen und des französischen Präsidenten mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin in den vergangenen Tagen zählten und die fortgesetzt würden. Dennoch wird der erste bilaterale Kontakt von Scholz und Putin mit Spannung erwartet. Denn angesichts der russischen Truppenmassierung vor der Grenze zur Ukraine wächst auch in Berlin die Kriegssorge.

Dass der Kanzler am Montag zunächst in die Ukraine reist, ist ein Signal der Solidarität. Die Bundesregierung, die wegen ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert wurde, weist ein ums andere Mal darauf hin, dass Deutschland der größte Finanzier der ehemaligen Sowjetrepublik sei. Scholz will bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausloten, was noch getan werden kann.

Dabei steht die Bundesregierung im doppelten Spannungsfeld. Zum einen stellte sie mit der Ausreiseaufforderung an Deutsche im Land die Sorge um eigene Landsleute über die Bitte Selenskyjs, nicht den Eindruck eines bevorstehenden russischen Angriffs zu fördern. Dies schwäche sein Land zusätzlich, hatte dieser gesagt.

Zum anderen geht angesichts der nötigen Solidarität mit der Ukraine unter, dass es Forderungen auch an die Regierung in Kiew gibt, ihre Verpflichtungen aus dem Minsker Friedensabkommen für die Ostukraine umzusetzen. Daran hatten Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Selenskyj schon im Dezember bei einem Treffen in Brüssel erinnert. „Eigentlich ist die Sichtweise auf Selenskyj eher negativ – er gilt als populistisch und unberechenbar“, sagte etwa Stefan Meister, Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), zu Reuters.

Moskau

DEUTLICHE WORTE AN PUTIN ERWARTET

Scholz betont allerdings, dass Deutschlands Solidarität der Ukraine gelte. In Regierungskreisen hieß es, bei seiner Moskau-Visite werde seine Warnung vor einem russischen Angriff entschieden sein. Scholz hat mehrfach gesagt, die ökonomischen, politischen und geostrategischen Folgen für Russland würden gravierend sein. Er hatte indirekt auch eingeräumt, dass die für Putin wichtige, milliardenschwere Nord-Stream-2-Pipeline unter die Sanktionen fallen würde. „Dabei sollte die Geschlossenheit der EU, der USA und Großbritanniens nicht unterschätzt werden“, hieß es am Sonntag erneut. In der Bundesregierung wurde zudem bei aller Bereitschaft zum Dialog mit Moskau deutlich gemacht, dass man Forderungen nach einer Neutralität der Ukraine („Finnlandisierung“) oder ein Nato-Aufnahmemoratorium ablehne.

Wie groß Scholz‘ Einfluss auf Putin aber sein wird, daran hat die Europa-Expertin Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations (ECFR) Zweifel. „Denn Scholz verfügt anders als seine Vorgängerin Angela Merkel über keinen besonderen Draht zu Putin“, sagte sie zu Reuters.

Und als neuer Kanzler verfüge er auch in der EU noch nicht über den Einfluss, auf den Moskau in den Beziehungen zu deutschen Kanzlern immer gesetzt habe. „Am wichtigsten dürfte sein, wenn auch Scholz Putin erklärt, dass die gemeinsamen ökonomischen Interessen etwa im Gassektor nicht über politischen Überlegungen im Fall einer Eskalation stehen.“

Dass Scholz Akzente setzen will, macht der Unterschied der Reiseplanungen nach Kiew und Moskau klar. Anders als in der ukrainischen Hauptstadt hält der Kanzler es in Moskau für nötig, auch Vertreter der Zivilgesellschaft zu treffen – in der Tradition Merkels, wenn diese autoritäre Länder besuchte. Ob sich Scholz den rigiden russischen Corona-Anforderungen mit einem eigenen PCR-Test in Moskau unterwerfen wird, sei noch nicht geklärt, hieß es. Dies könnte die Nähe seiner Kontakte zu Putin bestimmen: Beim Macron-Besuch vor wenigen Tagen wurde dessen Gesprächs-Platzierung mit meterweitem Abstand zu Putin an einem riesigen Tisch auch mit der Weigerung des französischen Präsidenten erklärt, sich einem Corona-Test durch russische Behörden zu unterziehen.

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