Berlin, 15. Jun (Reuters) – Die Bundesregierung will Windenergie in den nächsten zehn Jahren deutlich ausbauen – auch gegen Widerstände in den Ländern. Es dürfe keine Blockade mehr geben und auch keine ewigen Planungs- und Genehmigungsverfahren, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin. „Es gibt viele Widerstände.“ Für viele Menschen seien die Pläne auch eine Zumutung. Auf solche Ängste müsse man eingehen, ohne dass es aber eine Blockade geben dürfe.
Das Kabinett billigte am Mittwoch Pläne, die nun von den Fraktionen der Ampel-Koalition in den Bundestag eingebracht werden sollen. Kernstück ist dabei die Vorgabe, bis Ende 2032 zwei Prozent der Fläche für Windanlagen bereitzustellen. Wenn dies nicht gelingt, sollen sie sich freikaufen können bei Ländern, die ihre Ziele übererfüllen. Hinken Länder beim Ausbau hinterher, sollen Mindestabstandregeln zwischen Ortschaften und Windparks, bald der Vergangenheit angehören.
Die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP sollen noch im Juni einen Gesetzentwurf für mehr Windkraft an Land einbringen. Das parlamentarische Verfahren soll schon im Juli beendet werden. Das neue Gesetz würde dann Anfang 2023 in Kraft treten. Der Bundesrat wird sich zwar damit befassen. Er hat aber kein Veto-Recht, weil das Gesetz nicht zustimmungspflichtig sein soll.
Derzeit sind für Windenergie lediglich 0,8 Prozent der Bundesfläche ausgewiesen, tatsächlich genutzt werden 0,5 Prozent. „Wir teilen das regional fair auf“, sagte Grünen-Politiker Habeck. Windbedingungen vor Ort und regionale Besonderheiten würden berücksichtigt. Der russische Angriff auf die Ukraine hat Öl und Gas deutlich verteuert. Dadurch wird der ohnehin geplante Umstieg auf erneuerbare Energien für Deutschland noch dringender. Angesprochen auf die fast 30.000 Windkraftanlagen an Land sagte Habeck, es werde künftig größere Anlagen geben. Die Gesamtzahl werde sich aber sicherlich bis 2030 mindestens verdoppeln, womöglich sogar verdreifachen.
Für Ende 2026 soll ein Zwischenziel von 1,4 Prozent der Fläche festgeschrieben werden. Die Länder sollen sich gegenseitig helfen können, wenn einige langsamer sind als andere. Wie dies genau geschehe, liege in der Verantwortung der Länder. Wahrscheinlich werde es eine Kompensation über Geld geben. Die Bundesländer müssten untereinander dazu Verträge schließen, so Habeck. Modellrechnungen zufolge müssten windstärkere Länder 2,2 Prozent erreichen, andere eher 1,8 Prozent. Für Stadtstaaten sind 0,5 Prozent vorgesehen.
ABSTANDSREGELN SOLLEN SCHON 2023 ANGEPASST WERDEN
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte, die Länder könnten weiterhin Mindestabstandsregelungen haben, allerdings nur solange sie ihre Flächenvorgaben erfüllten. Tun sie das nicht, werden die Länderregelungen außer Kraft gesetzt. Bestehende Regelungen zu Mindestabständen – etwa in Bayern – sollen bis 1. Juni 2023 angepasst werden müssen.
Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2045 klimaneutral zu sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist dafür entscheidend, auch der Windkraft an Land, die bislang wesentlich öfter stockt als sogenannte Offshore-Parks vor den Küsten.
Die deutschen Energieverbände betonten in einer gemeinsamen Erklärung zur zusätzlich geplanten Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, es gebe zahlreiche Verbesserungen. Dennoch reichten die Pläne nicht aus. Richtig sei aber, Windenergie einzuordnen von überragendem öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit dienend.
Habeck sagte, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die Inbetriebnahme von Windrädern müssten deutlich beschleunigt werden, auf etwa zwei bis drei Jahre. Das wäre mindestens eine Halbierung. Digitalere Verfahren und mehr Personal sollten helfen, das Ziel zu erreichen.
Regierung will deutlich mehr Windräder an Land durchsetzen
Copyright: (c) Copyright Thomson Reuters 2022
Titelfoto: Symbolfoto
Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.