Berlin, 15. Mrz (Reuters) – Die Bundesregierung sieht im Krieg in der Ukraine einen weiteren Ansporn zur Abkehr von Öl, Kohle und Gas und damit für den Klimaschutz. „Wir sind jetzt doppelt gefordert, den Weg zur Unabhängigkeit von Kohle, Gas und Öl zu gehen“, sagte Klima-Staatssekretär Patrick Graichen am Dienstag bei der Vorstellung des Klimaberichts 2021. Danach haben die Sektoren Gebäude und Verkehr gesetzlich verankerten Ziele verpasst. Gerade hier sei die Dämmung von Gebäuden und der Abschied von Öl wichtig.
Er erwarte einen Boom bei elektrisch betriebenen Wärmepumpen. Der Krieg von Russlands Präsident Wladimir Putin habe Erdgas als Brücke zu erneuerbaren Energien entwertet. „Die Brücke ist eingestürzt.“ Umweltverbände und Wissenschaft warnten davor, etwa den Sprit- oder Kohlepreis nun staatlich zu verbilligen. Dies werden den Abschied von fossilen Brennstoffen verlangsamen.
Die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands stiegen 2021 laut Umweltbundesamt um 4,5 Prozent. Im Vergleich zu 1990 sanken sie damit nur um 39 Prozent. 2020 hatte das Minus noch knapp 41 Prozent betragen. Bis 2030 müssen es 65 Prozent sein. Den vorläufigen Zahlen zufolge produzierte Deutschland 2021 nun 762 Millionen Tonnen CO2 und damit rund 33 Millionen Tonnen mehr als 2020.
Damals hatte bereits der Gebäudesektor die im Klimagesetz verankerten Höchstgrenzen überschritten. Dies lag an einem vergleichsweise kalten Winter und daran, dass sich in der Corona-Krise die Menschen mehr im Haus aufhielten. 2021 überschritt nun auch der Verkehrssektor seine Vorgaben um drei Millionen Tonnen CO2. Industrie und Landwirtschaft blieben im Rahmen der Vorgaben. Gleiches gilt für den Energiesektor, obwohl dort wegen der extrem hohen Gas-Preise mehr Kohle-Kraftwerke mit höheren Emissionen liefen. So produzierte der Sektor gut zwölf Prozent mehr CO2 als 2020.
„CO2-PREIS MUSS HOCH BLEIBEN“
Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIL) verwies darauf, dass die erneuerbaren Energien so billig wie nie seien, die Emissionen weltweit 2021 aber einen Rekord erreicht hätten. Direktor Ottmar Edenhofer sprach sich für einen steigenden CO2-Preis aus, um die Abkehr von Kohle und Öl zu beschleunigen. Die EU-Obergrenze für den Handel mit CO2-Rechten dürfe nicht aufgeweicht werden.
Die Denkfabrik Agora forderte mit Blick auf den Verkehrssektor noch schärfere Flottengrenzwerte für PKW in der EU als die Kommission vorschlage. Auch das Tempolimit auf Autobahnen könne helfen. Dass beides eigentlich im Koalitionsvertrag ausgeschlossen sei, dürfe kein Hindernis mehr sein.
VERKEHRSSEKTOR BLEIBT GRÖSSTES PROBLEM
Das Klimaschutzgesetz sieht derzeit noch für jeden Sektor und jedes Jahr Höchstgrenzen vor. Werden sie nicht eingehalten, muss ein Sofortprogramm den Sektor wieder auf Kurs bringen. Besonders der Verkehrsbereich gilt als problematisch, da er in den vergangenen Jahren kaum den CO2-Ausstoß reduzieren konnte. Dem Gesetz zufolge muss für beide Sektoren nun ein Sofortprogramm aufgelegt werden, um wieder auf Kurs zu kommen. Graichen nannte hier das Sofortprogramm, das teilweise bis Ostern schon im Kabinett beschlossen werden solle.
FDP-Vize-Fraktionschef Lukas Köhler forderte: „Voraussetzung für dieses Sofortprogramm ist eine Änderung des Klimaschutzgesetzes.“ Die Planwirtschaft der jährlichen Sektorziele müsse beendet und stattdessen eine mehrjährige sektorübergreifende Gesamtrechnung etabliert werden. Im Koalitionsvertrag ist eine Reform des Gesetzes verankert.
Regierung sieht Ukraine-Krieg auch als Zwang zu mehr Klimaschutz
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