Berlin, 14. Jul (Reuters) – Der Ostbeauftragte der Bundesregierung warnt vor sozialen Verwerfungen und politischen Auseinandersetzungen im Osten Deutschlands wegen der stark steigenden Energiepreise. „Das eigentliche Problem der Energiekrise in Ostdeutschland ist, dass stark steigende Preise einen Großteil der Bevölkerung hier härter treffen“, sagte der SPD-Politiker in einem Reuters-Interview. „Die Ängste werden jetzt nicht nur von der AfD ausgeschlachtet, sondern auch von CDU und Linkspartei“, fügte er hinzu. Alle würden die Bundesregierung sehr hart und konfrontativ angehen.
Schneider erwartet deshalb ein Wiederaufleben von Demonstrationen. „Es gibt in Ostdeutschland eine Tradition, Unmut durch Demonstrationen auch auf die Straße zu bringen.“ Darauf müsse man sich einfach einstellen, es gehöre zur Demokratie dazu.
Als Grund für die stärkere Betroffenheit verweist Schneider auf die andere Sozialstruktur. „Die soziale Lage in Ostdeutschland ist fragiler, weil viele Menschen nicht über Vermögen verfügen und nicht in der Lage sind, zu sparen.“ Das bedeute, dass eine Erhöhung der Energiepreise bei vielen Menschen zu Existenznot und Sorgen führe. „Auch viele Unternehmen werden zu kämpfen haben und brauchen Hilfe.“
Schneider sprach sich gegen spezielle Hilfen für Ostdeutschland aus, sondern forderte eine Politik auf Bundesebene, die die kleinen und mittleren Einkommen stütze. „Auch die Gasversorgung ist es kein spezifisches Ost-West-Thema“, sagte er.
„Ich setze mich aber dafür ein, dass wir künftig im Osten eine eigene Anlandestelle für LNG-Gas bekommen – die dann später auch mit Wasserstoff arbeiten kann“, sagte Schneider. Im Gespräch war zuletzt, dass einer der Terminals in Lubmin entstehen könnte.
Die Bundesregierung versuche alles, um Gas aus anderen Quellen als Russland zu bekommen. Bei der Öl-Versorgung sehe die Lage dagegen etwas anders aus. Hier laufe die Ölversorgung bisher über die Druschba-Pipeline zur Raffinerie in Schwedt, die Nordostdeutschland und Teile von Polen versorgt. „Wir haben ein doppeltes Problem: Wir brauchen alternative Wege, um die Raffinerie mit Öl zu versorgen. Und es gibt in der Raffinerie eine Veränderungsnotwendigkeit.“ Aber der russische Eigentümer sei an Veränderung gar nicht interessiert, kritisierte er.
Das Problem müsse gelöst werden – „und zwar nicht erst am Jahresende, wenn wir kein Öl mehr aus Russland beziehen wollen“. Details wollte Schneider nicht nennen. Er wolle auch nicht über Auswirkungen spekulieren, was passiert, wenn es nicht gelinge, Schwedt mit Öl aus andern Quellen am Laufen zu lassen. „Aber die Versorgung mit Diesel, Bitumen und Benzin in Nordostdeutschland und Westpolen hängt daran.“ Das Ziel muss sein: „Wir brauchen Versorgungssicherheit – und das zu ganz normalen Preisen.“
Ostbeauftragter warnt vor sozialen Spannungen in Ostdeutschland durch Energiepreise
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