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Ökonomen zu Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine

24. Feb (Reuters) – Russland hat die Ukraine angegriffen. Die Regierung in Kiew spricht von einem großangelegten Krieg gegen die Ukraine. Im Westen stößt der Angriff auf Protest. Laut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock folgt nun ein Paket mit „massivsten Sanktionen“. Im Folgenden erste Reaktionen von Ökonomen auf den bewaffneten Konflikt:

ALEXANDER KRIWOLUZKY, DIW:

„Der Einmarsch Russlands in die Ukraine bringt die EZB in ein Dilemma. Auf der einen Seite werden die steigenden Energiepreise die Inflation im Euro-Raum weiter anheizen. Hier müsste die EZB im März mit dem Ende des Anleihenkaufprogrammes reagieren und Zinserhöhungen für die Zukunft ankündigen. 

Auf der anderen Seite bremsen die negativen Handelsauswirkungen und die Auswirkungen der Sanktionen den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Pandemie. Zudem wird die psychologische Komponente eines Krieges in Europa die Nachfrage potenziell schwächen.

Zusammen mit einem geringen Wachstum erschwert dies wiederum den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik. Die Entwicklung in den nächsten zwei Wochen wird zeigen, ob die EZB trotz der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen einen Kurswechsel zu einer restriktiveren Geldpolitik einleiten kann.

Durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine und dessen negative wirtschaftliche Folgen wird das Wachstum in Deutschland dieses Jahr wieder etwas niedriger ausfallen, als es allgemein erwartet wurde. Die dadurch geringeren Steuereinnahmen und die potenziell höheren Ausgaben für den Verteidigungsetat werden den Staatshaushalt belasten und zu einer möglichen höheren Neuverschuldung führen. Konsequenzen für die Tragfähigkeit der deutschen Staatsschulden wird der Krieg in der Ukraine aber nicht haben.“

STEFAN KOOTHS, VIZEPRÄSIDENT IFW-INSTITUT KIEL:

„Bislang waren die Sanktionen vor allem Nadelstiche gegen die Machtelite in Moskau, die kaum Kollateralschäden im Westen verursachen. Dies dürfte sich nun ändern. Die negativen Rückwirkungen werden ungleich verteilt sein, daher wäre es ratsam, die im Russland-Geschäft besonders exponierten Unternehmen durch einen entsprechenden Fonds zu unterstützen – idealerweise EU-weit. Das wäre nicht nur ökonomisch stimmig, weil die Kollateralschäden eines außenpolitischen Ziels der EU als Gemeinschaftsgut von allen anteilig getragen werden sollten. Es hätte auch den Vorteil, die interne Verständigung der EU-Länder auf eine gemeinsame Linie zu stützen, weil die länderweise unterschiedliche Betroffenheit dadurch tendenziell abgefangen würde. Dies käme der Konsensfindung der EU zugute und würde so im Ergebnis schärfere Sanktionen und raschere Reaktionen zulassen.

Gesamtwirtschaftlich spielt Russland praktisch nur als Rohstoffexporteur für die Europäer eine wichtige Rolle, übrige Handelsbeziehungen sind vergleichsweise unbedeutend. Stärker als vom Gas ist Russland von Ölexporten abhängig. Unklar ist aber, wie stark ein westliches Embargo die Öleinnahmen dämpfen würde. Denn einerseits gäbe es weniger Abnehmer, andererseits könnten wegen der gestiegenen Risiken die Preise in die Höhe schießen. Die Weltmarktanteile des russischen Öls können andere Lieferländer kurzfristig nicht ausgleichen. Deshalb würde ein Ölembargo Russland kurzfristig kaum wirtschaftlich in die Knie zwingen. Unsicherheit ist immer Gift für die Konjunktur. Ob aber der Konflikt mit Russland so toxisch wird, dass er die Post-Corona-Erholung abwürgt, ist noch nicht abzusehen.“

MICHAEL HOLSTEIN, CHEFÖKONOM DZ BANK:

„In einer ersten Reaktion ist der Ölpreis über die 100-Dollar-Marke gestiegen, die Aktienmärkte sind weltweit eingebrochen. Anleger flüchten in sichere Häfen wie Bundesanleihen, deren Rendite deutlich nachgegeben hat. Die Entwicklung in den nächsten Tagen und Wochen wird davon abhängen, welchen Verlauf der Krieg in der Ukraine nimmt und wie die unmittelbaren Auswirkungen der Sanktionen sein werden. Zu rechnen ist mit weiteren Finanzsanktionen gegen russische Banken, den russischen Staat sowie einzelne Personen. Daneben dürften die Beschränkungen des Handels mit Russland ausgeweitet werden, vor allem der Export von High-Tech-Gütern dürfte komplett untersagt werden.

Der Anstieg der Rohstoffpreise und die Sanktionen werden die Wirtschaft auch in Deutschland belasten. Die Inflationsrate wird wohl zumindest kurzfristig noch weiter steigen, vor allem über eine weiter steigende Energierechnung für die Verbraucher. Das schwächt deren Kaufkraft und tendenziell die Nachfrage von Haushalten nach anderen Gütern und erhöht die Kosten auch für die Unternehmen.“

JOHN VAIL, CHIEF GLOBAL STRATEGIST, NIKKO ASSET MANAGEMENT:

„Die Lage in der Ukraine erschwert die politischen Einschätzungen der US-Notenbank Fed, denn je weiter der russische Angriff reicht, desto mehr dürften die Preise für Energie und einige Getreidesorten weiter steigen. In der Zwischenzeit bleiben die US-Binnennachfrage und die Preisgestaltungsmacht der Unternehmen stark. Das erschwert der Fed, zurückhaltender vorzugehen und die finanziellen Rahmenbedingungen zu lockern.“

CARSTEN FRITSCH, COMMERZBANK:

„Sollten die Sanktionen den Zahlungsverkehr, russische Banken und möglicherweise auch die Versicherung der russischen Öl- und Gaslieferungen betreffen, sind Lieferausfälle nicht auszuschließen. Der Markt preist eine massive Angebotsverknappung ein. Sollte es zu einem teilweisen Ausfall der russischen Öllieferungen kommen, wären die anderen großen Produzentenländer nur bedingt in der Lage, dies auszugleichen. Was für Öl gilt, gilt erst recht für Erdgas: Ein Wegfall der russischen Lieferungen wäre insbesondere für Europa kaum auszugleichen. Die europäischen Gasvorräte dürften zwar noch bis Ende des Winters reichen, der nötige Lageraufbau für den kommenden Winter wäre dann aber kaum möglich.“

JOCHEN STANZL, CMC MARKETS: 

„Die Ukraine steht für ein Viertel des weltweiten Agrarhandels. Engpässe könnten nun im Handel am Schwarzen Meer entstehen und die Börsen reagieren prompt: Der Preis für Winterweizen explodiert auf ein Neunjahreshoch. Der Ölpreis bewegt sich über 100 Dollar und es scheint kein Ende der Rally in Sicht. 40 Prozent des weltweiten Palladiums stammen aus Russland.“ 

THOMAS GITZEL, VP BANK:

„Spannend ist natürlich, wie die Notenbanken auf die Situation reagieren werden. Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Konflikts sind bislang als relativ überschaubar einzuordnen. Zwar werden die höheren Energiepreise das Wirtschaftswachstum dämpfen, aber der Aufschwung wird sich dennoch fortsetzen. Gleichzeitig nehmen aber die Inflationsrisiken mit den höheren Energiepreisen zu.

Gerade deshalb werden die Fed, aber auch die EZB ihre Geldpolitik straffen – trotz der militärischen Eskalation. Die Fed wird im März möglicherweise sogar eine Zinsanhebung um 50 Basispunkte lancieren. Die EZB wird einen vorzeitigen Ausstieg aus ihren Wertpapierankaufprogrammen ankündigen. Damit ist aber klar, dass es bei diesem Konflikt keine geldpolitische Unterstützung der Notenbanken geben wird. Die Inflationsrisiken wiegen hierfür zu schwer.“ 

BASTIAN HEPPERLE, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:

„Auf den Beginn der breiter angelegten Militäroperation erwarten wir weitere Sanktionen der westlichen Staaten, auf die Russland wiederum mit Gegenmaßnahmen reagieren dürfte. Die Sanktionsspirale wird sich also weiterdrehen.“

THOMAS BÖCKELMANN, VERMÖGENSMANAGEMENT EUROSWITCH:

„Letzte Nacht ist also doch passiert, was amerikanische Geheimdienste befürchtet hatten – eine russische Invasion der Ukraine scheint endgültig befohlen. Damit geht Putin über das erwartete, ursprünglich auf die Ost-Ukraine begrenzte Gebiet hinaus. So unberechenbar die politische Eskalation und Lage ist, so greifbar sind jetzt doch die denkbaren weltwirtschaftlichen Auswirkungen.

Russland und Ukraine sind für die allgemeine Entwicklung der Weltwirtschaft eher unbedeutend. Sie spielen jedoch eine große Rolle als Energie- und Getreidelieferant. Es ist davon auszugehen, dass entweder durch politischen Willen Russlands, durch regionale Zerstörung oder auch schlichtweg durch Sanktionen des Westens diese Lieferungen dramatisch zurückgehen werden und damit die entsprechenden Marktpreise steigen.“

Ökonomen zu Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine

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Titelfoto: Symbolfoto 

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