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Macron verhindert Spaniens Anbindung an europäisches LNG-Netz

Berlin/Paris/Madrid, 13. Sep – Bundeskanzler Olaf Scholz und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez waren am 30. August in Meseberg glasklar: Eine neue Gaspipeline von der Iberischen Halbinsel durch Frankreich nach Mitteleuropa wäre gut für ganz Europa und würde helfen, die Abhängigkeit von russischem Gas weiter zu senken. Aber trotz guter Beziehungen zwischen Madrid und Paris und vor allem zwischen Scholz und Präsident Emmanuel Macron verweigert Frankreich seine Zustimmung. Schuld sind nationale französischen Interessen und unterschiedliche Konzepte für die Energie-Zukunft Europas. 

Die sogenannte MidCat wäre eine dritte Gasverbindung zwischen Frankreich und Spanien. Sie würde nach Ansicht ihrer Hauptbefürworter – Madrid, Lissabon und neuerdings auch Berlin – Europa helfen, seine Energieversorgung auf breitere Füße zu stellen. Scholz wirbt damit, dass es dabei nicht nur darum gehe, LNG-Gas von den spanischen Flüssiggasterminals nach Norden zu transportieren. Die Bundesregierung hält das Projekt vor allem für die spätere Wasserstoff-Nutzung für wichtig, wenn etwa Wasserstoff aus Marokko über Spanien bis nach Nordeuropa gebracht werden könnte.

Doch der französische Präsident hat seinen Partnern unverblümt mitgeteilt, dass er keine ihn überzeugende Argumente für das Milliardenprojekt sieht. So argumentiert Paris, dass der Bau von MidCat zu lange dauern würde, um die drohende Energiekrise jetzt mit Flüssiggas zu lindern. Auch wäre es für Frankreich zu kostspielig und laufe den Bestrebungen zu einer Umstellung auf eine grüne Wirtschaft zuwider. 

Regierungsvertreter in Spanien und Deutschland, die anonym bleiben wollen, erklärten gegenüber Reuters dagegen, Frankreich wolle vor allem seine eigene marode Atomindustrie schützen und die Konkurrenz durch Spanien als Zwischenstation für importiertes Gas abwehren. „Macron steht zu Hause unter Druck von verschiedenen Gruppen, die das Pipeline-Projekt nicht mögen. Die größte ist sicherlich der Atomsektor“, sagte eine hochrangige deutsche Regierungsquelle.

KONKURRENZ BEI LNG UND WASSERSTOFF

Tatsächlich geht es für Paris um eine doppelte Konkurrenz. Denn Portugal und Spanien verfügen über große Gasimportkapazitäten mit sieben LNG-Terminals – und würden gerne auch Deutschland beliefern. Eine Aussage eines spanischen Insiders zeigt, wie tief die Frustration dort ist: Frankreich müsse zeigen, wie es zur europäischen „Energiesolidarität“ beitrage. Schließlich sei die Hälfte seiner Kernreaktoren vom Netz ist und das Land auf andere angewiesen ist, um sich mit Strom zu versorgen, sagte der Insider. 

Macron verweist jedoch auf seine jüngste Vereinbarung mit Deutschland, wonach Frankreich Gas an die Bundesrepublik liefert und im Gegenzug Strom erhält, um die durch die nötige Abschaltung seiner zum Teil veralteten Atommeiler entstande Lücke zu füllen. Damit kann Frankreich Deutschland im Winter mit bis zu 20 Terawattstunden (TWh) Gas liefern. Dies entspricht etwa zwei Prozent des Gasbedarfs der größten europäischen Volkswirtschaft. Ein deutscher Regierungsvertreter sagte, die Vereinbarung würde Deutschlands Engpass nicht beheben, aber den Märkten eine Botschaft senden. 

Der Streit ist vor allem ein Zeichen, wie sich die Zeiten geändert haben: 2019 war ein gemeinsamer Vorschlag für eine neue Pipeline durch die Pyrenäen noch von den Energieregulierungsbehörden Spaniens und Frankreichs abgelehnt worden. Während sich Madrid hinter das Projekt stellt, erklärt die französische Regulierungsbehörde, die wirtschaftlichen Vorteile kämen eher Spanien zugute.

Denn Frankreich verfügt ebenfalls über LNG-Terminals an seiner Atlantik- und Kanalküste und möchte am Flüssiggasgeschäft teilhaben. „Frankreich verfügt über (LNG-Terminals), die Gas für ganz Europa verarbeiten können“, sagt eine französische Regierungsquelle unumwunden. Sanchez dagegen droht öffentlich, dass man notfalls eine Pipeline nach Italien bauen werde, um Spanien ans europäische Gasnetz anzuschließen. Denkbar wäre auch eine Pipeline an Frankreich vorbei von Bilbao nach Belgien.

Doch der Streit geht längst über LNG-Gas hinaus. Denn es gibt auch unterschiedliche Konzepte, wie man sich für das Wasserstoff-Zeitalter aufstellt. Deutschland möchte etwa die Hälfte des künftig nötigen Wasserstoffs importieren – über die geplanten LNG-Terminals an der Küste, aber auch über Pipelines aus anderen EU-Ländern. Macron dagegen träumt nach Angaben von Insidern davon, mehr Atomkraftwerke in Frankreich zu bauen – und den Wasserstoff dann in deren Nähe selbst zu produzieren und an EU-Nachbarn zu verkaufen. Da kann er die Konkurrenz durch eine dann als Wasserstoff-Pipeline genutzte Röhre aus Spanien nicht gebrauchen. 

Macron verhindert Spaniens Anbindung an europäisches LNG-Netz

Quelle: Reuters

Titelfoto: Copyright [vverve] /Depositphotos.com

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