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Machtdemonstration und Mahnungen – Scholz in China

Peking/Berlin, 06. Nov – Olaf Scholz war schon wieder in der Luft, als ihm Chinas Präsident Xi Jinping das entscheidende Geschenk für seinen Besuch in Peking machte. Denn als der Bundeskanzler mit dem Regierungsflugzeug zurück nach Berlin flog, ließ Xi über chinesische Staatsmedien verbreiten, dass beide Politiker „gemeinsam gegen den Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg sind“. Das war als Warnsignal an Russland mehr, als man sich in deutschen Regierungskreisen vor der Reise des Kanzlers nach China von der kommunistischen Regierung erhofft hatte.

Und als die kleine deutsche Wirtschaftsdelegation auf dem Rückflug im Flugzeug nach einem abschließenden Gespräch mit dem Kanzler auch noch applaudierte, konnte Scholz das Gefühl haben, am Freitag in Peking fast alles richtig gemacht zu haben. „Alleine weil es gelungen ist, dass sowohl die chinesische Regierung, der Präsident als auch ich dort erklären konnten, es dürfen keine Atomwaffen in diesem Krieg eingesetzt werden, alleine dafür hat sich die ganze Reise gelohnt“, bilanzierte Scholz nach seiner Rückkehr.

Dabei war sein Antrittsbesuch in Peking eine außen- wie innenpolitische Gratwanderung. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte im Vorfeld durchscheinen lassen, wie unzufrieden sie mit der Reise war. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bezeichnete den Zeitpunkt gar als „äußerst unglücklich“. 

MACHTDEMONSTRATION DES KANZLERS

Doch wie schon bei der Entscheidung über den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Container-Terminal im Hamburger Hafen blieb Scholz bei seinem Kurs. Die Botschaft: Der Kanzler spricht mit schwierigen Akteuren in der Welt, wenn er dies für nötig hält, Punkt. Scholz‘ Machtdemonstration erinnert an eine Äußerung des früheren Kanzlers Gerhard Schröder, der die Rollen von SPD und Grünen in der damaligen Koalition als „Koch“ und „Kellner“ beschrieb.

Auch außenpolitisch scheint die Rechnung zumindest für den Moment aufzugehen: Die US-Regierung, die vor der Reise Zweifel hatte durchscheinen lasen, äußert in Person von Außenminister Antony Blinken nun plötzlich Lob. Man stimme voll und ganz mit der Begründung von Scholz für die Reise überein, erklärte Blinken in Münster.

KLARE POLITISCHE WORTE – ZU RUSSLAND, TAIWAN, UIGUREN, EU

Angesichts des internationalen Misstrauens, dass es Deutschland in China nur ums Geschäft gehe, hatte sich Scholz bewusst für einen anderen Ansatz entschieden. Der Schwerpunkt des ersten Besuchs eines G7-Regierungschefs seit der Corona-Pandemie lag „so stark wie nie zuvor“ auf der politischen Seite, schreibt Moritz Rudolf, China-Experte am Paul Tsai China Center der Yale Law School, auf Twitter. „Es ist eben kein business as usual“, heißt es in Regierungskreisen. 

Neben den Mahnungen in der Russland-Politik wurde deshalb auch die Bedeutung der Abstimmung mit Peking unmittelbar vor dem schwierigen G20-Gipfel in Indonesien und den Klimaverhandlungen in Ägypten betont. Denn es gelte weiter der Dreiklang sowohl der deutschen wie europäischen Politik, dass China eben sowohl Partner, wirtschaftlicher Konkurrent und als autoritärer Staat auch systemische Rivale sei, hieß es – auch wenn die Sorgen über den Kurs des Landes angesichts der immer autoritäreren Züge des Regierungsstils von Xi stiegen. 

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisierte dennoch, Scholz spalte den Westen. In Peking versuchte Scholz seinen Kritikern insofern Wind aus den Segeln zu nehmen, als er beim gemeinsamen Auftritt mit Ministerpräsident Li Keqiang in der Großen Halle des Volkes ungewöhnlich deutlich wurde. Er betonte zwar die Ein-China-Politik, mahnte aber offen, dass es keine gewaltsamen Versuche zur Einverleibung Taiwans geben dürfe. Er erwähnte mit Blick auf die Uiguren ausdrücklich die Menschenrechtsprobleme etwa in der Region Xinjiang. Scholz hatte nach Angaben aus Regierungskreisen zudem im Vorfeld wenige Tage vor der Reise eine verschlüsselte Schaltkonferenz mit chinesischen Bürgerrechtsanwälten. Ein Treffen war wegen der Corona-Auflagen beim Besuch selbst nicht möglich. 

Und Kritik, dass er mit der Reise eine gemeinsame China-Politik der EU unterlaufe, konterte Scholz mit öffentlichen Mahnung an den neben ihm stehenden Li: „Wirtschaftliche Maßnahmen gegen einzelne EU-Mitgliedsstaaten richten sich gegen den ganzen EU-Binnenmarkt, und auch Sanktionen gegen EU-Abgeordnete sind für uns nicht akzeptabel.“ Gemeint waren chinesische Sanktionen gegen das EU-Mitglied Litauen sowie das Einreiseverbot gegen den Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer. 

MARKTZUGANG FÜR BIONTECH GEÖFFNET

Dennoch kam auch die deutsche Wirtschaft auf ihre Kosten. Vertragsabschlüsse waren zwar ausdrücklich nicht erwünscht. Für den mitreisenden Biontech-Chef, Ugur Sahin, öffnet sich aber die Tür zum chinesischen Markt zumindest einen Spaltbreit mit der Erlaubnis, dass sich mehrere hunderttausend Ausländer in China nun mit dem Biontech-Vakzin gegen Corona impfen lassen können. Die anderen Firmenchefs konnten in den Treffen mit Li und chinesischen Firmenchefs ihre Probleme auf dem chinesischen Markt vorbringen. Scholz selbst mahnte in Peking in alle Richtungen: Er sei gegen eine Abkoppelung von China, aber natürlich für weniger Abhängigkeit durch Diversifizierung. Und in Richtung China kritisierte er deutlich, dass es keinen gleichwertigen gegenseitigen Marktzugang gebe.

Dass der Kanzler mit seinen offenen Worten die seit mehr als zwei Jahren von Auslandskontakten weitgehend abgeschottete chinesische Führung überforderte, zeigen zwei Punkte. Li ließ nach der Standpauke des Kanzlers beim gemeinsamen Presseauftritt keine Fragen mehr zu. Und die chinesische Seite verfiel in die alte Tradition, dass während derartiger Besuche wichtige Unternehmensaufträge bekannt gegeben werden – was der Kanzler diesmal gar nicht gewünscht hatte. Während des Besuchs des SPD-Politikers gab China Aviation Supplies (CAS) Holding die Bestellung von 140 Airbus-Flugzeugen bekannt.

Und den Streit über den deutschen China-Kurs beendet der Besuch nicht: „Dem Bundeskanzler ging es darum, im Gegensatz zum Koalitionsvertrag die Zeichen in der Chinapolitik auf Kontinuität zu setzen, auf ‚Merkel as usual'“, sagte der Grünen-Politiker und China-Kritiker Bütikofer am Samstag zu Reuters. Xi habe bekommen, was er wollte.

Machtdemonstration und Mahnungen – Scholz in China

Quelle: Reuters

Titelfoto: Bild von Josiah Sark auf Pixabay

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