Berlin, 04. Apr (Reuters) – Die Zahl der Kurzarbeitenden in der deutschen Industrie steigt entgegen dem gesamtwirtschaftlichen Trend als Folge des Kriegs in der Ukraine. Im März nahm sie um 18.000 auf 144.000 zu, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag auf Basis seiner Unternehmensumfragen und der Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ermittelte.
Allein in der exportabhängigen Autoindustrie nahm die Zahl der Kurzarbeitenden von 36.000 auf 43.000 zu, was 4,5 Prozent der dort Beschäftigten entspricht. „Das sind schon erste Anzeichen für eine Verschärfung der Lieferengpässe“, sagte Ifo-Experte Stefan Sauer zur Entwicklung in der Industrie. „Das Problem gab es ohnehin schon, hat sich aber durch den Ukraine-Krieg nochmals verstärkt.“
Viele Industriebetriebe berichten derzeit von zunehmenden Engpässen, die sich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine teils noch verschärft haben: 80,2 Prozent klagten im März über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. So fehlen den Autobauern die bislang in der Ukraine hergestellten Kabelbäume. 17 Prozent der Industriefirmen importieren den Ifo-Angaben zufolge aus Russland, das wegen des Krieges von westlichen Staaten mit harten Sanktionen belegt wurde.
„Der konjunkturelle Ausblick sieht sehr trübe aus“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. „Eine Störung bei den russischen Gaseinfuhren bleibt eine große Gefahr, sie droht über komplexe Kaskadeneffekte Produktionsstörungen in vielen Branchen auszulösen.“
Insgesamt ist die Zahl der Kurzarbeitenden in Deutschland aber auch wegen der Corona-Lockerungen gesunken. Insgesamt 620.000 Menschen waren demnach in Kurzarbeit und damit 65.000 weniger als im Februar. Das entspricht 1,8 Prozent der Beschäftigten, nach zuvor 2,0 Prozent. Im Gastgewerbe – das von den Corona-Lockerungen profitiert – sank die Zahl der Kurzarbeitenden von 215.000 auf 170.000, der Anteil von 20,2 auf 16,0 Prozent der Beschäftigten in dieser Branche. Im Einzelhandel gab es ebenfalls einen deutlichen Rückgang von 96.000 auf 56.000 und damit von 3,9 auf 2,3 Prozent.
Kurz vor Ausbruch der Virus-Pandemie hatte die Zahl der Kurzarbeitenden im Februar 2020 bundesweit bei 134.000 gelegen, ehe sie im März 2020 wegen der wirtschaftlichen Corona-Folgen dann auf 2,6 Millionen gesprungen ist und im April 2020 den Rekordwert von sechs Millionen erreicht hat. Der vorherige Höchstwert während der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise lag im Frühjahr 2009 bei 1,5 Millionen Kurzarbeitenden.
Kurzarbeit in der Industrie steigt wegen Ukraine-Krieg
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.