Berlin, 13. Okt – Teures Tanken, Essen und Heizen haben die deutschen Verbraucherpreise im September so stark ansteigen lassen wie seit Anfang der 1950er Jahre nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 10,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag eine frühere Schätzung bestätigte. Im August hatte die Inflationsrate noch 7,9 Prozent betragen – auch weil 9-Euro-Ticket und Tankrabatt den Preisdruck dämpften. Beide Maßnahmen galten aber nur von Juni bis August.
„Hauptursachen für die hohe Inflation sind nach wie vor enorme Preiserhöhungen bei den Energieprodukten“, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Georg Thiel. „Aber wir beobachten zunehmend auch Preisanstiege bei vielen anderen Gütern, besonders bei den Nahrungsmitteln.“
Ökonomen rechnen mit einem weiteren Anstieg der Teuerungsrate, wenn die Versorger die hohen Großhandelspreise für Erdgas verstärkt an die Privathaushalte weitergegeben. „Die Inflationsrate dürfte in den kommenden Monaten auf jeden Fall auf elf Prozent steigen“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Erst im Frühjahr ist mit einem Abflachen zu rechnen, wenn ab März oder April wie von der Gaskommission vorgeschlagen die Gaspreisbremse für Haushalte in Kraft tritt“, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Diese dürfte dann die Inflationsrate „spürbar senken“.
„SOZIALER SPRENGSTOFF“
Energie kostete im September 43,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dabei haben sich die Preise für leichtes Heizöl binnen Jahresfrist mit plus 108,4 Prozent mehr als verdoppelt, die Teuerung für Erdgas betrug 95,1 Prozent. Für Strom wurden 21,0 Prozent mehr verlangt, für Kraftstoffe 30,5 Prozent mehr. Nahrungsmittel verteuerten sich um 18,7 Prozent. „Insgesamt hat sich der Preisauftrieb hierfür seit Jahresbeginn sukzessive verstärkt“, so die Statistiker. Erheblich teurer wurden Speisefette und Speiseöle (+49,0 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (+29,1). Auch für Fleisch und Fleischwaren (+19,5 Prozent) sowie für Brot und Getreideerzeugnisse (+18,5) erhöhten sich die Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar.
Einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zufolge wollen viele Unternehmen die höheren Kosten in den kommenden Monaten weiterreichen an ihre Kunden. Demnach planen etwa alle Lebensmittelhändler mit Preiserhöhungen. „Das birgt natürlich sozialen Sprengstoff, denn die Haushaltseinkommen steigen weit weniger“, sagte Wollmershäuser. Zudem dürfte das die Konjunktur belasten.
„Wir steuern auf eine vom rückläufigen Konsum getriebene Rezession zu, weil viele Menschen bei anderen Ausgaben sparen, um Energie- und Lebensmittelpreise noch bezahlen zu können“, IMK-Direktor Dullien. Für das laufende vierte Quartal von Oktober bis Dezember sei das Rezessionsrisiko bei 80,8 Prozent zu erwarten, wie das IMK berechnete. Anfang September betrug die Wahrscheinlichkeit für die folgenden drei Monate noch 64,1 Prozent.
Die Bundesregierung prognostiziert für das laufende Jahr eine durchschnittliche Teuerungsrate von 8,0 Prozent, die 2023 auf 7,0 Prozent fallen soll. Ohne die geplanten Preisbremsen bei Strom und Gas wären es nächstes Jahr noch deutlich mehr, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Für 2024 kalkuliert die Regierung mit einer Inflation von 2,4 Prozent. Habeck verwies bei der Vorlage der Regierungsprognose am Mittwoch auf die steigenden Leitzinsen in Europa. „Das wird sicherlich wirken.“ Außerdem dürften die Energiepreise – der Haupttreiber der Inflation – 2024 nachlassen durch staatliche Maßnahmen sowie ein ausgeweitetes Angebot.
Inflationsrate klettert auf 10 Prozent – „Rezessionsrisko steigt“
Quelle: Reuters
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