Berlin, 19. Dez – Trotz anhaltender Rezessionssorgen im Winter stellt sich die deutsche Wirtschaft für das nächste Jahr auf bessere Zeiten ein. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sprang im Dezember auf 88,6 Zähler von 86,4 Punkten im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit nur 87,4 Punkten gerechnet. Das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer stieg den dritten Monat in Folge – sowohl die Geschäftslage als auch die Erwartungen für die nächsten sechs Monate sehen die Firmen besser als zuletzt. „Die deutsche Wirtschaft schöpft zum Weihnachtsfest Hoffnung“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Ein Blick auf die sogenannte Konjunkturuhr der Forscher zeigt aber, dass die Wirtschaft noch immer im Krisenmodus ist. Denn die Urteile der befragten Firmen zu Lage und Erwartungen bleiben trotz der Verbesserung per saldo unterdurchschnittlich. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession sei mit den jüngsten Ifo-Daten zwar gesunken, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview: „Es gibt positive Signale, man kann aber nicht ausschließen, dass es dazu kommt.“ In Zeiten des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise sei die Unsicherheit in den Unternehmen noch sehr groß.
Optimistischer stimmt die Führungskräfte laut DZ Bank-Experte Christoph Swonke aber, dass die Lieferketten besser funktionierten als noch vor einigen Wochen. „Auch bei der Energiesicherheit lässt der Druck etwas nach“, fügte der Banken-Ökonom mit Blick auf Fortschritte Deutschlands hinzu, sich aus der Gas-Abhängigkeit von Russland zu lösen.
Im Rennen um Ersatz für russisches Erdgas war am Samstag in Wilhelmshaven das erste schwimmende LNG-Terminal eingeweiht worden. Bereits Ende 2023 werde Deutschland voraussichtlich über eine Importkapazität von über 30 Milliarden Kubikmeter verfügen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz mit Blick auf weitere in Bau befindliche und geplante LNG-Terminals an der deutschen Küste.
ABSCHIED VON UNTERGANGSSTIMMUNG
Laut KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib steckt die Wirtschaft den Schock des Ukraine-Krieges immer besser weg: „Die Unternehmen verabschieden sich zusehends von der zwischenzeitlichen Untergangsstimmung und sie haben guten Grund dazu.“ Der Kaufkraftschock und die mit den anhaltenden Unwägbarkeiten zu befürchtende Investitionszurückhaltung bereiteten aber den Boden für eine Rezession: Die Konjunkturexpertin der staatlichen Förderbank erwartet für 2023 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von rund 1 Prozent. Das Ifo-Institut rechnet nur mit einem Minus von 0,1 Prozent.
Auch wenn sich das Geschäftsklima nun vor der Jahreswende deutlich aufgehellt hat, bleibt nach Ansicht vieler Beobachter Vorsicht geboten: „Die allerjüngsten Entwicklungen dürften die Erwartungen demnächst wieder eintrüben“, so LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch. „Dazu gehören der deutliche Rückgang der Gasspeicherfüllstände oder die Angst vor weiter steigenden Leitzinsen, die Ende der Vorwoche für einen Kursrutsch an den Finanzmärkten gesorgt haben.“
Auch die deutsche Bauwirtschaft bekommt die Folgen der strafferen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu spüren. Hier trübte sich das Geschäftsklima im Dezember gegen den Trend ein. „Die Zinserhöhungen führen zu Stornierungen“, erläuterte Ifo-Experte Wohlrabe. Denn anhaltende Lieferengpässe erhöhten die Baukosten und anziehende Finanzierungskosten belasteten vor allem private Bauherren.
Ifo-Index steigt – „Wirtschaft schöpft zum Weihnachtsfest Hoffnung“
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Dieter auf Pixabay
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