Sonntag, Mai 5, 2024
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Hintergrund: Fremder Freund – Netanjahus schwieriger Besuch in Berlin

Berlin, 16. Mrz – Vor seinen politischen Gesprächen in Berlin am Donnerstag weht Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deutliche Kritik entgegen. Wegen innenpolitischer Probleme muss er seinen Besuch ohnehin verkürzen – Demonstranten gegen seine umstrittene Justizreform hatten sogar gedroht, seinen Abflug nach Deutschland zu verhindern. Nun trifft er in Berlin zwar auf eine generell israelfreundliche Haltung. Aber auch in der Bundesregierung wird die Entwicklung der nationalistisch-religiösen Koalition unter Netanjahus Führung mit dem Abbau von Justizrechten und dem Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten sehr kritisch gesehen. 

Kanzler Olaf Scholz wird nach Angaben aus Regierungskreisen dennoch vor allem erneut betonen, dass die Sicherheit des jüdischen Staates weiter Staatsräson für Deutschland bleibt. Eine gemeinsame Visite an der Holocaust-Gedenkstätte Gleis 17 soll die anhaltende deutsche Verantwortung für den Holocaust unterstreichen.

Aber Bundestagsabgeordneten werden sehr deutlich: So fordert Gabriela Heinrich, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, offene Worte gegenüber Netanjahu. „Die deutsche Politik ist gerade aufgrund unserer tiefen Freundschaft zu Israel verpflichtet, bei Sorgen über das israelische Regierungshandeln kein Blatt vor den Mund zu nehmen“, sagt die Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe der Nachrichtenagentur Reuters. „Das Existenzrecht Israels gehört zur deutschen Staatsräson. Es muss aber gleichzeitig möglich sein, Differenzen offen anzusprechen, etwa bei der Justizreform und beim völkerrechtswidrigen Siedlungsbau.“ 

„Bestrebungen, die Rechtsstaatlichkeit in Israel einzuschränken, sind äußerst besorgniserregend“, kritisiert die SPD-Politikerin. Die angekündigte Legalisierung illegaler Siedlungen mache die von den Europäern und den USA befürwortete Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser unmöglich. „Die Pläne zur Wiedereinführung der Todesstrafe sind für einen demokratischen Rechtsstaat inakzeptabel.“ Gerade deshalb seien Gespräche wichtig. 

Dieser doppelte Ansatz wird auch in der Opposition befürwortet. „Ich hoffe, dass der Bundeskanzler gegenüber Premierminister Netanjahu klarstellt, dass die Sicherheit Israels unverändert und unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in der Knesset deutsche Staatsraison ist“, sagt CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt zu Reuters. „Denn die reale Bedrohung Israels und des Friedens in der gesamten Region durch den Iran spitzt sich zu. Der Zeitpunkt, zu dem der Iran atomar bewaffnet sein könnte, ist erschreckend nah.“ In Israel selbst zeige sich allerdings mit den anhaltenden Protesten gegen die Regierung Netanjahu eine starke Polarisierung in der Gesellschaft. Die Bundesregierung sollte „die konstruktiven Teile der israelischen Regierung“ unterstützen, forderte der CDU-Politiker.

Und Gegenwind kommt diesmal auch vom Präsidenten des Zentralrats der deutschen Juden, Frank Schuster. „Ein Abbau demokratischer Strukturen wäre auch für die jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels nicht akzeptabel“, sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Sehr viele in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland sind besorgt über die gesellschaftliche Spaltung in Israel, die durch die von der aktuellen Regierung vorangetriebene Justizreform noch sichtbar verstärkt wird.“ Bisher seien Jüdinnen und Juden in aller Welt stolz darauf, dass der jüdische Staat „die einzige Demokratie im Nahen Osten“ sei. 

Noch deutlicher wurde der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, der der israelischen Regierung vorwarf, sie zerstöre das Fundament des jüdischen und demokratischen Staates. Mit dem Unterlaufen einer Zweistaatenlösung komme es zu einer dauerhafte Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung, sagte Heusgen dem RND. „Damit würde sich Israel aber aus dem Kreis der demokratischen Staaten verabschieden“, fügte er hinzu. Die Justizreform sei dafür ein weiteres trauriges Anzeichen. 

Nur dürfte Kanzler Scholz abzuwägen haben, ob er angesichts der nötigen Abstimmung mit Netanjahu über eine Fülle auch sicherheitspolitischer Fragen eine Konfrontation bei dessen Antrittsbesuch suchen soll. Denn man müsse über die Zuspitzung des Atomstreits mit Iran und die überraschende Wiederannäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran reden, die die Region durchgeschüttelt haben, heißt es in Regierungskreisen. EU-Diplomaten hatten mehrfach auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Israel einen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen unternehmen könnte – was durch die Annäherung Teherans mit Saudi-Arabien unter chinesischer Vermittlung schwieriger werden dürfte. Außerdem wird Israel mit seinen Erdgasvorkommen im Mittelmeer künftig auch Energielieferant für die EU.

Zudem dürfte die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriff eine Rolle in den Gesprächen spielen, heißt es. Eher am Rande könnte zudem über das deutsche Interesse an dem israelischen Luftverteidigungssystem Arrow 3 gesprochen werden. Dass Deutschland und Israel ihre Rüstungszusammenarbeit stärken wollen, stehe aber außer Frage. Bisher liefert Deutschland dem Land etwa U-Boote und kauft dort Drohnen ein. 

Berlin, 15. Mrz – Unmittelbar vor seinem Deutschlandbesuch hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seine geplante Berlin-Visite verkürzen müssen. Wegen der innenpolitischen Situation kommt er nun am Donnerstag für nur einen Tag nach Berlin – wenn Demonstranten gegen seine umstritten Justizreform nicht noch seinen Abflug wie angedroht verhindern. Schon dies zeigt, wie schwierig diese Antrittsvisite des neuen Ministerpräsidenten sein wird. Denn auch in der Bundesregierung wird die Entwicklung der nationalistisch-religiösen Koalition unter Netanjahus Führung mit dem Abbau von Justizrechten und dem Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten sehr kritisch gesehen. 

Kanzler Olaf Scholz wird nach Angaben aus Regierungskreisen vor allem erneut betonen, dass die Sicherheit des jüdischen Staates weiter Staatsräson für Deutschland bleibt. Eine gemeinsame Visite an der Holocaust-Gedenkstätte Gleis 17 soll die anhaltende deutsche Verantwortung für den Holocaust unterstreichen.

Die Bundestagsabgeordneten werden allerdings sehr deutlich: So fordert Gabriela Heinrich, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, offene Worte gegenüber Netanjahu. „Die deutsche Politik ist gerade aufgrund unserer tiefen Freundschaft zu Israel verpflichtet, bei Sorgen über das israelische Regierungshandeln kein Blatt vor den Mund zu nehmen“, sagt die Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe der Nachrichtenagentur Reuters. „Das Existenzrecht Israels gehört zur deutschen Staatsräson. Es muss aber gleichzeitig möglich sein, Differenzen offen anzusprechen, etwa bei der Justizreform und beim völkerrechtswidrigen Siedlungsbau.“ 

„Bestrebungen, die Rechtsstaatlichkeit in Israel einzuschränken, sind äußerst besorgniserregend“, kritisiert die SPD-Politikerin. Die angekündigte Legalisierung illegaler Siedlungen mache die von den Europäern und den USA befürwortete Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser unmöglich. „Die Pläne zur Wiedereinführung der Todesstrafe sind für einen demokratischen Rechtsstaat inakzeptabel.“ Gerade deshalb seien Gespräche wichtig. 

Dieser doppelte Ansatz wird auch in der Opposition befürwortet. „Ich hoffe, dass der Bundeskanzler gegenüber Premierminister Netanjahu klarstellt, dass die Sicherheit Israels unverändert und unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in der Knesset deutsche Staatsraison ist“, sagt CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt zu Reuters. „Denn die reale Bedrohung Israels und des Friedens in der gesamten Region durch den Iran spitzt sich zu. Der Zeitpunkt, zu dem der Iran atomar bewaffnet sein könnte, ist erschreckend nah.“ In Israel selbst zeige sich allerdings mit den anhaltenden Protesten gegen die Regierung Netanjahu eine starke Polarisierung in der Gesellschaft. Die Bundesregierung sollte „die konstruktiven Teile der israelischen Regierung“ unterstützen, forderte der CDU-Politiker.

Dass Netanjahu diesmal ein Israel verbundener, aber kritischer Wind in Berlin entgegenbläst, zeigt auch die Mahnung des Präsidenten des Zentralrat der deutschen Juden, Frank Schuster. „Ein Abbau demokratischer Strukturen wäre auch für die jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels nicht akzeptabel“, sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Sehr viele in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland sind besorgt über die gesellschaftliche Spaltung in Israel, die durch die von der aktuellen Regierung vorangetriebene Justizreform noch sichtbar verstärkt wird.“ Bisher seien Jüdinnen und Juden in aller Welt stolz darauf, dass der jüdische Staat „die einzige Demokratie im Nahen Osten“ sei. 

Nur dürfte Kanzler Scholz abzuwägen haben, ob er angesichts der nötigen Abstimmung mit Netanjahu über eine Fülle auch sicherheitspolitischer Fragen eine Konfrontation bei dessen Antrittsbesuch suchen soll. Denn man müsse über die Zuspitzung des Atomstreits mit Iran und die überraschende Wiederannäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran reden, die die Region durchgeschüttelt haben, heißt es in Regierungskreisen. EU-Diplomaten hatten mehrfach auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Israel einen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen unternehmen könnte – was durch die Annäherung Teherans mit Saudi-Arabien unter chinesischer Vermittlung schwieriger werden dürfte. Außerdem wird Israel mit seinen Erdgasvorkommen im Mittelmeer künftig auch Energielieferant für die EU.

Zudem dürfte die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriff eine Rolle in den Gesprächen spielen, heißt es. Eher am Rande könnte zudem über das deutsche Interesse an dem israelischen Luftverteidigungssystem Arrow 3 gesprochen werden. Dass Deutschland und Israel ihre Rüstungszusammenarbeit stärken wollen, stehe aber außer Frage. Bisher liefert Deutschland dem Land etwa U-Boote und kauft dort Drohnen ein. 

Hintergrund: Fremder Freund – Netanjahus schwieriger Besuch in Berlin

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Michał auf Pixabay

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