Berlin, 12. Sep – Die Grünen-Spitzenkandidatin für die Niedersachsen-Wahl hat die Abschaltung des Atomkraftwerks Lingen im Emsland verteidigt. „Die Entscheidung für das Abschalten des Atomkraftwerks in Lingen ist nur konsequent“, sagte Julia Hamburg am Montag im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Lingen leiste keinen Beitrag für die Netzstabilität in Süddeutschland. „Die Risiken für einen Weiterbetrieb sind viel höher als der mögliche Nutzen, das wird derzeit zu wenig diskutiert.“ Der Stresstest habe ergeben, wie überraschend gering der Nutzen der Atomkraftwerke in Wahrheit sei.
Hamburg wies den Vorwurf der Union zurück, dass die Entscheidung von Wirtschaftsminister Robert Habeck parteipolitisch motiviert sei, Ende des Jahres zwei Atomkraftwerke in Reserve zu nehmen und Lingen abzuschalten. „Im Dezember wird es eine Entscheidung geben, ob ein Streckbetrieb in den beiden AKWs im Süden noch nötig sein wird“, kündigte sie an. „Denn es ist klar:
Die Kraftwerke können nicht einfach rauf und runter gefahren werden. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass sie gebraucht werden, für extrem gering.“ Es müssten schon alle Negativfaktoren gleichzeitig auftreten, die im Stresstest genannt würden. Dies würde bedeuten, dass es keine Gaslieferungen mehr gebe und gleichzeitig die Flusspegelstände niedrig seien, die Atomkraftwerke in Frankreich weiter ausfielen und es einen kalten Winter gebe.
Das Energiethema überschattet laut Hamburg den gesamten Wahlkampf. Die Menschen machten sich verständlicherweise große Sorgen, ob und wie sie durch den Winter kommen. Wichtig sei, dass die Strompreisbremse und eine Begrenzung des Anstiegs der Energiepreise kämen. „An den Wahlständen wird kaum über Landespolitik geredet. Eine Folge könnte sein, dass die Wahlbeteiligung niedrig ausfällt, weil viele Wählerinnen und Wähler gerade die Sinnhaftigkeit einer Landtagswahl nicht sehen“, sagte sie.
Die Grünen bekämen derzeit eindeutig Rückenwind durch den Bundestrend. „Und ich erwarte, dass dies bis zum Wahltag so bleiben wird.“ Das liege auch an Politikstil, Kommunikation und Fehlerkultur der Grünen. Habeck etwa reagiere auf Fehlentwicklungen, das komme an. Er und Annalena Baerbock seien echte Zugpferde im Wahlkampf.
Die Grünen-Politikerin wies Forderungen etwa nach Investitionen in Frackinggas in Niedersachsen zurück. „Es wäre falsch, nun Milliarden in den Ausbau fossiler Infrastruktur zu setzen, die bald nicht mehr benötigt wird“, mahnte sie. Bei den LNG-Terminals sei dies anders, weil sie später für Wasserstoff verwendet werden könnten. „Und in den Niederlanden sind diese Zusatzinvestitionen nicht nötig, weil es um die Weiternutzung bereits bestehender Gasfelder geht“, sagte sie auf die Frage, warum Deutschland das Nachbarland um weitere Gaslieferungen aus einem Gasfeld mit Erdbebengefahr bitte.
Hamburg machte vor der Wahl keine klare Koalitionsaussage: Die Grünen wollten so stark wie möglich werden und seien bereit, Verantwortung zu übernehmen. „Wir wollen jetzt aber keine Debatte über irgendwelche Titel und Posten führen“, sagte sie auf die Frage, ob sie selbst Ministerpräsidentin werden wolle. Die Schnittmengen mit der SPD seien „eindeutig viel größer“ als mit der CDU. Trotzdem gebe es wichtige Unterschiede. „Wir wollen eine Solardachpflicht für alle Dächer und 2,5 Prozent der Fläche für den Ausbau der Windenergie nutzen“, sagte sie. „Die SPD liebt zudem das Auto und den Straßenbau.“ Die Grünen setzten dagegen auf neue Mobilitätskonzepte und bevorzugten den Ausbau von Schiene und Radwegen. „Die SPD wird sich also für eine Koalition sehr bewegen müssen.“
Ein Bündnis mit der CDU schloss Hamburg nicht aus. „Aber die CDU erweckt den Eindruck, als ob sie gerade hohe Mauern zu den Grünen bauen will – etwa mit dem Plädoyer für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, den Bemerkungen über das Gendern oder die Reaktivierung von Hardliner Uwe Schünemann als möglichem Innenminister.“ Dies klinge nicht nach einer modernen CDU.
Grüne-Spitzenkandidatin Niedersachsen – Abschalten des AKW Lingen konsequent
Quelle: Reuters
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