Nusa Dua, 08. Jul (Reuters) – Indonesien als amtierende G20-Präsidentschaft mahnt ein Ende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine an. „Es liegt in unserer Verantwortung, den Krieg früher als später zu beenden und die Differenzen am Verhandlungstisch zu lösen und nicht auf dem Schlachtfeld“, sagte Außenministerin Retno Marsudi bei Beratungen der G20-Ressortchefs am Freitag in Nusa Dua auf der indonesischen Ferieninsel Bali. Zur Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer gehört auch Russland. Außenminister Sergej Lawrow nahm an dem Treffen teil und traf dabei erstmals seit Kriegsbeginn auf die schärfsten Kritiker Russlands – etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Zu einer direkten Begegnung beider kam es nicht, Lawrow verließ das zweitägige Treffen vorzeitig.
Kritik am Vorgehen in der Ukraine wies Lawrow zurück. Der Westen habe sich im Plenum der G20-Außenminister „fast sofort, sobald sie das Wort ergriffen, in der rasenden Kritik an der Russischen Föderation in Verbindung mit der Situation in der Ukraine verirrt“, sagte Lawrow nach einer ersten Arbeitssitzung am Freitag. „In der Diskussion haben die westlichen Partner es vermieden, dem Mandat der G20 zu folgen, sich mit Themen der Weltwirtschaft zu befassen.“ Sollte der Westen tatsächlich wollen, dass die Ukraine Russland besiege, dann gäbe es nichts zu besprechen. Im Übrigen stehe der Westen der Suche nach einem Friedensschluss zwischen der Ukraine und Russland im Weg. Russland nennt das Vorgehen in der Ukraine eine „militärische Sonderoperation“ zur Befreiung des Landes.
Diplomaten zufolge verließ Lawrow nach seiner Einlassung im ersten Plenum den Raum, bevor Baerbock sprach. Am zweiten Plenum zum Thema Nahrungsmittelsicherheit nahm Lawrow demnach gar nicht mehr teil. Baerbock sagte nach Abschluss der Beratungen, die meisten Länder am Tisch hätten erklärt, sie stünden für das internationale Recht, „haben den brutalen Angriffskrieg Russlands als größte aktuelle Gefahr verurteilt“. Sie fügte hinzu: „Der Appell aller 19 Staaten war sehr deutlich an Russland, dieser Krieg muss ein Ende haben.“ Russland sei für die Auswirkungen des Krieges verantwortlich, das gelte auch für die sich verschärfende Nahrungsmittelkrise. Sie habe als G7-Präsidentin an Russland eindringlich appelliert, den Hafen von Odessa freizugeben.
CHINA WARNT VOR „NEUEM KALTEN KRIEG“
Lawrow sagte, seine Regierung sei bereit, mit der Ukraine und der Türkei über den Export von Getreide zu verhandeln. Es sei aber unklar, wann solche Gespräche stattfinden könnten. In der Ukraine lagern Millionen Tonnen Getreide, die nicht exportiert werden können, auch weil Russland die Häfen blockiert, auch den größten des Landes in Odessa. Wegen der ausbleibenden Exporte etwa von Weizen aus der Ukraine hat sich die ohnehin grassierende Hungerkrise vor allem in Afrika verschärft. Die Nahrungsmittelknappheit ist eines der Hauptthemen bei dem Treffen in Indonesien.
Baerbock sagte, die G7 müsse als führende Industriestaaten dafür sorgen, dass die Hungersnot sich nicht noch verschärfe. Zu den G7 gehören Deutschland, die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Deutschland hält in diesem Jahr den Vorsitz. Zu den G20 gehören neben Deutschland, den anderen G7-Staaten, Russland und Indonesien auch Australien, China, Indien, Argentinien, Brasilien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei sowie die Europäische Union.
Mit Spannung erwartet wurde, wie sich China bei dem Treffen positionieren würde, das auch nach Kriegsbeginn enge Beziehungen zur Regierung in Moskau unterhält. Außenminister Wang Yi warnte in Bali vor einem „neuen Kalten Krieg“. Baerbock sagte nach einem Treffen mit Wang, auch China sehe den Krieg als Bedrohung für die globale Lage. Allerdings unterstütze die Regierung in Peking die westlichen Sanktionen gegen Russland nach wie vor nicht. Einig sei man sich aber, dass die Vereinten Nationen eine wichtige Rolle spielen müssten.
G20-Präsidentschaft fordert Kriegsende – Lawrow kritisiert Westen
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Wichtige Entwicklungen zur Ukraine.