New York/London/Boston/Washington, 16. Nov – Mit hektischen Anrufen bei Investoren weltweit hat FTX-Gründer Sam Bankman-Fried am vergangenen Wochenende Insidern zufolge die Pleite seiner Kryptowährungsbörse FTX abzuwenden versucht. Sieben Milliarden Dollar wollte er bei Konkurrenten und Finanzinvestoren einsammeln, obwohl bereits riesige Löcher in der Bilanz klafften und Kunden stündlich 100 Millionen Dollar an Einlagen abzogen, wie mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.
Von seinem Apartment auf den Bahamas aus kontaktierte der Absolvent der Elite-Uni MIT in der Nacht von Sonntag auf Montag Finanzinvestoren wie Sequoia, Apollo und TPG, sagten Insider. Dabei sei ihm sein Vater, ein Jura-Professor der Universität Stanford, zu Hilfe geeilt. Sequoia, die sich neben dem weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock oder dem Technologie-Investor Softbank bereits an FTX beteiligt hatten, sei geschockt gewesen über die erbetene Summe, fügten die Insider hinzu. Apollo habe zunächst mehr Informationen erbeten, um anschließend abzuwinken. Keine der drei Firmen wollte sich zu diesem Thema äußern.
BILANZTRICKSEREIEN UND SOFTWARE-MANIPULATION
Einem früheren Reuters-Bericht zufolge wurden etwa zehn Milliarden Dollar an Kundengeldern von FTX zu Bankman-Frieds Brokerfirma Alameda transferiert. Mindestens eine Milliarde davon sei verschwunden. Ein Teil des Geldes sei dafür verwendet worden, um Verluste im Zusammenhang mit dem Kurskollaps der Kryptowährung TerraUSD und der Pleite der Kryptobank Voyager Digital auszugleichen. Als Bankman-Fried seinem Management das Bilanzloch enthüllte, habe dieses geschockt reagiert, sagten die Insider. In Präsentationen für Investoren tauchen zudem dieselben Vermögenswerte sowohl in der Bilanz von FTX als auch von Alameda auf, obwohl die Unternehmen angeblich unabhängig voneinander sind.
Die Insider wiesen außerdem darauf hin, dass ein enger Vertrauter Bankman-Frieds, der ehemalige Google-Softwareentwickler Gary Wang, eine Hintertür in das Buchhaltungsprogramm von FTX eingebaut habe. Sie diene dazu, Gelder zu Alameda zu transferieren, ohne dass die Alarmglocken schrillen oder andere Mitarbeiter dies erkennen können. Ein Bildschirmfoto der Software von vergangener Woche zeigt Kundeneinlagen in Höhe von zehn Milliarden Dollar und weitere 1,5 Milliarden Dollar. Wang war für einen Kommentar zunächst nicht zu erreichen.
STEILER AUFSTIEG…
Der 30-jährige Bankman-Fried heuerte nach dem Studium zunächst bei einem Broker an der Wall Street an und machte sich 2017 mit Alameda selbständig. Mit dem Geld aus Spekulationen mit Kryptowährungen gründete er zwei Jahre später die Börse FTX, deren Geschäft explosionsartig wuchs. 2021 erreichte das Handelsvolumen mehr als eine Milliarde Dollar oder zehn Prozent des Weltmarktes. Im selben Jahr landete Bankman-Fried mit einem geschätzten Vermögen von 26,5 Milliarden Dollar auf der Liste der reichsten Amerikaner des Magazins „Forbes“.
Gleichzeitig machte Sport-Sponsoring FTX einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Außerdem gewann die Firma Football-Superstar Tom Brady und Tennisspielerin Naomi Osaka als Werbefiguren. Parallel dazu plante die Börse Partnerschaften mit Konzernen wie dem Einzelhändler Walmart oder der Facebook-Mutter Meta.
Der Hype um Kryptowährungen bescherte FTX 2021 einen Gewinn von 450 Millionen Dollar. Im zweiten Quartal 2022 machte das Unternehmen allerdings 161 Millionen Dollar Verlust. Dennoch gab Bankman-Fried etwa zwei Milliarden Dollar für Zukäufe aus, unter anderem für Anteile am Online-Broker Robinhood.
…UND TIEFER FALL
Den Fall Bankman-Frieds löste ein Bericht von CoinDesk aus. Die auf Nachrichten aus der Kryptowelt spezialisierte Webseite veröffentlichte Anfang November Dokumente über Verflechtungen zwischen Alameda und FTX. Daraufhin kündigte FTX-Erzrivale Binance an, sämtliche FTX-Token zu verkaufen. Wenige Tage später bot Binance die Übernahme von Teilen des Konkurrenten an, machte kurz darauf aber einen Rückzieher.
Gleichzeitig stürzte der Kurs des FTX-Token um mehr als 90 Prozent ab und brachte Alameda in Bedrängnis. Bankman-Frieds Brokerhaus sitzt unter anderem wegen Stützungskäufen auf hohen Beständen dieser digitalen Anteilsscheine, deren Wert zuvor bei rund sechs Milliarden Dollar gelegen hatte. Diese Token dienen als Sicherheiten für Kredite.
Aber auch viele FTX-Mitarbeiter stehen vor dem Nichts, da sie sich ihr Gehalt in den Token der Kryptobörse auszahlen ließen. Ein Manager habe sogar seine gesamten Ersparnisse dort angelegt, sagte ein Mitarbeiter. „Aus Loyalität zu Sam.“
FTX-Gründer bettelte trotz Bilanzloch weltweit um Milliarden
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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