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EU will Abhängigkeit von Rohstoff-Importen reduzieren

Brüssel/Berlin, 16. Mrz – Die EU-Kommission will bei klimafreundlichen Technologien die europäische Industrie stärken. Dafür stellte die Brüsseler Behörde am Donnerstag wichtige Bausteine vor, um im Bereich strategisch wichtiger Rohstoffe unabhängiger von Importen zu werden und grünen Industriezweigen einen Schub zu verleihen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei einer Regierungserklärung im Bundestag, es werde beim EU-Gipfel nächste Woche vor allem um Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit gehen. Dort würden unter anderem die Vorschläge der Kommission zur Lockerung von Staatshilfen sowie zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren besprochen. 

Bei kritischen Rohstoffen rief die Brüsseler Behörde das Ziel aus, bis 2030 zehn Prozent des eigenen Bedarfs selbst abzubauen. Dabei geht es um Lithium, Kobalt und Seltene Erden. Recycling soll für weitere 15 Prozent sorgen. In der Verarbeitung sollen bis 2030 dann 40 Prozent des eigenen Bedarfs abgedeckt werden können. Kein Drittstaat soll bei einem wichtigen Rohstoff künftig alleine für mehr als 65 Prozent verantwortlich sein. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch im Europäischen Parlament gesagt, die globalen Investitionen in den Umbau hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft dürften sich bis 2030 verdreifachen. Im vergangenen Jahr wurde dafür bereits rund eine Billion Dollar mobilisiert. „Das Rennen ist eröffnet.“ Die europäische Industrie muss sich dabei vor allem gegen die USA und China behaupten. 

Wichtige Rohstoffe kommen derzeit oft aus China oder Ländern, in denen Firmen aus der Volksrepublik sehr präsent sind. Bei Seltenen Erden liegt der chinesische Marktanteil bei fast 90 Prozent. Bei Lithium, das für Batterien bedeutend ist, sind es 60 Prozent. Europa müsse sich unbedingt breiter aufstellen, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Die EU wolle beim Umbau der Wirtschaft vorne dabei sein. 

Produkte und Technologien, die perspektivisch über eine klimaneutrale Wirtschaft entscheiden, sollen bis 2030 zu mindestens 40 Prozent in der EU gefertigt werden. Dazu gehören unter anderem Solar- und Windkraft, Batterien, Wärmepumpen und Elektrolyseure. Bis 2030 sollen außerdem jährlich 50 Millionen Tonnen CO2 unterirdisch gespeichert werden können. 

QUANTENSPRUNG – ABER KEIN EIGENER FINANZTOPF 

„Die angestrebte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren auf maximal zwei Jahre für strategische Rohstoffprojekte in Bergbau, Weiterverarbeitung und Recycling bis 2030 wäre ein Quantensprung im Vergleich zum jetzigen Durchschnitt von zehn bis 15 Jahren“, sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim deutschen Industrieverband BDI. Der Erfolg werde sich in den 27 EU-Mitgliedsstaaten entscheiden. „Es sind oftmals die Kommunen, die vor Ort für die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz für Projekte sorgen müssen.“ Europa müsse bei Rohstoffen mehr Tempo machen. Niedermark kritisierte, dass es keinen eigenen Rohstoff-Investitionsfonds geben soll. „Das ist zu wenig.“ In den USA könnten Bergbauunternehmen und Raffinerien wichtiger Mineralien im Rahmen des Subventionspaketes IRA zum Beispiel zehn Prozent ihrer Kosten abschreiben. „Aus Sicht der deutschen Industrie ist dieses Instrument auch für Europa nachahmenswert.“ 

Lob kam aus dem von den Grünen geführten Bundeswirtschaftsministerium: „Die Ziele, die die Kommission bis 2030 setzt, sind sehr ambitioniert – und das ist gut so“, sagte Staatssekretärin Franziska Brantner. Einen erheblichen Mehrbedarf gebe es insbesondere bei speziellen metallischen Rohstoffen und Industriemineralien. „Elektroautos, Wärmepumpen, Windräder, Solarmodule – je schneller weltweit auf diese Technologien umgestellt wird, desto schneller wird die globale Nachfrage nach den notwendigen Rohstoffen wachsen.“ 

Die Kommission will zudem die Liste mit strategisch-wichtigen Rohstoffen überarbeiten. Kupfer und bestimmte Nickelformen sollen hinzugefügt werden. Ebenfalls als wichtig für die Zukunft der Industrie gelten bereits Arsen, Feldspat, Helium und Mangan. Gestrichen wurden Indium und Naturkautschuk. 

Anders als von den Grünen kam vom Ampel-Partner FDP Kritik: „Mit ihren Plänen für eine politisch gelenkte Industrie legt die EU-Kommission die Axt an die Grundprinzipien unserer sozialen Marktwirtschaft an“, sagte Lukas Köhler aus dem Bundesvorstand der Liberalen. „Nicht Protektionismus, Planwirtschaft und Subventionen sind die richtige europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA, sondern Steuersenkungen, Bürokratieabbau und Freihandel. Mit dem europäischen Emissionshandel haben wir bereits das beste und effektivste Klimaschutzinstrument, das Investitionen in saubere Technologien lenkt.“ Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) betonte, Europa müsse sich bei der Höhe der Subventionen nicht verstecken. „Das amerikanische Programm ist allerdings deutlich einfacher gestaltet und zieht deswegen erst mal mehr Investitionen an“, sagte BCG-Experte Jens Burchardt.

EU will Abhängigkeit von Rohstoff-Importen reduzieren

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von StockSnap auf Pixabay

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