Freitag, März 29, 2024
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Deutschland erhält in Rekordtempo erstes LNG-Terminal

Überschrift – Gelbes Ampel-Trio feiert Jahrestag am LNG-Terminal

Wilhelmshaven, 17. Dez – „Ahoi Captain Draskovic. On behalf of the Federal Republic of Germany, I welcome you and your crew to Germany“, spricht Olaf Scholz auf dem Deck der „MS Helgoland“ in sein Walkie-Talkie – und schaut gleichzeitig erwartungsvoll hinüber zum mächtigen Schiff „Höegh Esperanza“. Dann schiebt er ein „We are happy that you are here“ hinterher. Denn auf dem Schiff, das nun vor Wilhelmshaven liegt und als schwimmendes LNG-Terminal arbeitet, ruhen die Hoffnungen Deutschlands.

Es soll künftig als Anladestation für LNG-Tanker dienen – und damit einen dringend benötigten Beitrag leisten, dass Deutschland die ausgefallenen russischen Gaslieferungen ersetzen kann. „Russlands Präsident Putin hat geglaubt, er könne uns erpressen, indem er uns die Gaslieferungen abdreht. Aber er hat sich getäuscht“, meint Scholz etwas triumphierend. Dabei ist die „Höegh Esperanza“ nur ein Baustein, um die Gasversorgung zu sichern. 

Aber dass sich kurz vor Weihnachten nicht nur der Kanzler, sondern gleich auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner von Berlin aus auf die Reise an die niedersächsische Nordseeküste gemacht haben, hat noch zwei andere Gründe: Der ganzen Phalanx von Unternehmensvertretern und niedersächsischen Ministern, die an Bau beteiligt waren, merkt man nach monatelangem Stress den Stolz an, dass in Wilhelmshaven etwas gelungen ist, was man in Deutschland eigentlich für unmöglich gehalten hat – die Genehmigung und der Bau eines wichtigen Infrastrukturprojekts in nur 194 Tagen. 

Es geht um Symbolik, um den Versuch, auch die mentale Stimmung in einer verkrusteten Republik aufzumuntern. Deshalb ruft der Kanzler auf der „MS Helgoland“ gleich das neue „Deutschland-Tempo“ aus – obwohl die Grünen in der Ampel-Regierung die Planungsbeschleunigung gerne nur auf ökologisch wichtige Projekte begrenzen würden, die FDP aber generell auf schnellere Verfahren pocht. „Niedersachsen-Geschwindigkeit“ sei ohnehin der bessere Ausdruck, kontert der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil als Gastgeber für den hohen Berliner Besuch spöttisch, weil das nordwestliche Bundesland nun mal das schnellste war, das einen LNG-Terminal zustande brachte. 

Aber Scholz, Habeck und Lindner haben sich auch weit entfernt von der Hauptstadt in gelbe Anoraks und dicken Pullis geschmissen, um die Einheit der Ampel aus SPD, Grünen und FDP zu demonstrieren und aller Welt trotz jüngster Spannungen als Erfolgsprojekt zu zeigen. Also stapfen sie als gelbes Trio auf die „MS Helgoland“ – die Farbe der Schutzanoraks wirkt dabei wie eine kleine farbliche Entschädigung für die Liberalen, die es in der Ampel am schwersten haben und deren Umfragewerte gesunken sind. Also warten sie in eisiger Kälte auf dem sogenannten Sonnendeck der zum Honoratioren-Ausflugsdampfer umfunktionierten Fähre, bis ein Pulk von Kameraleuten und Fotografen sie endlich vor dem Hintergrund der „Höegh Esperanza“ abgelichtet hat. Es geht vor allem um Bilder. 

Während Scholz mit seiner spärlichen Haartracht ohne Kopfbedeckung in der Kälte ausharrt, hat sich Habeck eine dicke schwarze Wollmütze übergezogen – und scheint ohnehin nur zögerlich zu dem gemeinsamen Feiermoment auf dem Sonnendeck hinzustoßen zu wollen. Denn offensichtlich wird in dieser Szene auch: In der Koalition hat nur einer ein Walkie-Talkie in der Hand, und das ist der Kanzler. Dabei hatten Habecks Parteifreunde wie die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schon am Freitag öffentlich getrommelt, dass eigentlich dem Wirtschafts- und Klimaminister der Dank für den schnellen Bau gebühre. Aber bei der offiziellen Feiern reden nur die Sozialdemokraten Scholz und Weil. 

Habeck wartet dafür, bis die Veranstaltung vorbei und die anderen Gäste gegangen sind. Dann stellt er sich auf dem Sonnendeck den TV-Kameras. 

Wilhelmshaven, 17. Dez – Im Rennen um Ersatz für russisches Erdgas ist am Samstag in Wilhelmshaven das erste schwimmende LNG-Terminal eingeweiht worden. „Das ist das neue Deutschland-Tempo“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag bei der offiziellen Einweihung mit Blick auf die vergleichsweise schnelle Genehmigungs- und Bauzeit des Terminals. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nahmen teil. „Ende nächsten Jahres werden wir voraussichtlich über eine Importkapazität von über 30 Milliarden Kubikmeter Gas verfügen“, fügte der Kanzler mit Blick auf weitere in Bau befindliche und geplante LNG-Terminals an der deutschen Küste hinzu. Russlands Präsident Wladimir Putin habe sich verrechnet, als er dachte, er könnte Deutschland mit dem Stopp russischer Gaslieferungen erpressen, betonte der Kanzler.

„Wir sind noch lange nicht durch“, warnte Habeck zugleich. Voraussetzung, dass man gut durch diesen und den nächsten Winter komme, seien auch Sparanstrengungen der Bevölkerung, die nicht nachlassen dürften. Mit den weiteren LNG-Terminals in Lubmin und Brunsbüttel dürfte die Versorgung in diesem Winter gesichert sein, sagte Habeck auch mit Blick auf die derzeit noch mit fast 90 Prozent gefüllten Gasspeicher. Um gut auch durch den Winter 2023/24 zu kommen, bedürfe es aber neben dem Bau weiterer Anlagen für die Anlandung von Flüssigerdgas auch eines schnelleren Umstiegs auf Erneuerbare Energien.

Die fünf fest staatlichen geplanten LNG-Terminals deckten etwa ein Drittel des deutschen Gasverbrauchs, fügte Habeck hinzu. Scholz verwies darauf, dass weiteres Gas aus Norwegen, den Niederlanden, Belgien und Frankreich komme. Von teilweise berichteten Überkapazitäten bei LNG-Terminals könne gar keine Rede sein. Wenn feste Terminals funktionsfähig würden, würden die schwimmenden LNG-Terminals nicht mehr gebraucht. „Es gibt Verträge über fünf, zehn und 15 Jahren, so dass wir sehr flexibel agieren können“, betonte der Grünen-Politiker mit Blick auf die Schiffe. Lindner sagte, dass das Geld gut angelegt sei, weil es Lieferabhängigkeit verringere.

„DEUTSCHLAND-TEMPO“ ODER „NIEDERSACHSEN-GESCHWINDIGKEIT“? 

Alle Redner bei der Festveranstaltung lobten das für Deutschland ungewöhnliche Tempo bei der Genehmigung und Planung der Anlagen. „Persönlich hätte ich mir auch das Wort ‚Niedersachsen‘-Geschwindigkeit denken können“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil mit Blick darauf, dass an der Nordseeküste nun das erste LNG-Terminal nach 194 Tagen Planungs- und Bauzeit fertiggestellt und an das Gasnetz angeschlossen wurde. 

„Russlands Krieg und der Einsatz von Energie als Waffe ist da lediglich ein zusätzliches Argument, ein weiterer Ansporn, noch schneller, noch entschlossener, noch nachdrücklicher in den Ausbau Erneuerbarer Energien zu investieren“, sagte Scholz. „Auch deshalb ist es so wichtig, dass die neue Leitung hierher nach Wilhelmshaven gleich so geplant und gebaut wurde, dass sie für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden kann.“ 

Frank Reiners, Geschäftsführer der Firma OGE, die die 26 Kilometer Leitungen für das LNG-Terminal gebaut hat, sagte, diese seien zu „100 Prozent“ wasserstofftauglich. Holger Kreetz, Chef des Asset Managements beim Energieversorger Uniper, der hinter dem LNG-Terminalprojekt in Wilhelmshaven steht, betonte, dass das Unternehmen bereits 2030 zehn bis 20 Prozent des gesamten Wasserstoff-Bedarfs Deutschlands über Wilhelmshaven zur Verfügung stellen wolle. Die Stadt solle nicht nur Durchleiter von Energie werden, sondern auch Produktionsstandort werden. 

Bei der LNG-Technologie wird Erdgas für den Schiffs-Transport verflüssigt. In Anlandeanlagen wie nun in Wilhelmshaven wird es von den extrem niedrigen Transport-Temperaturen dann wieder erwärmt, um es in Pipelines transportieren zu können. Die in Spanien beladene „Höegh Esperanza“, die nun als schwimmendes Terminal dient, hatte 165.000 Kubikmeter LNG an Bord, teilte der Energiekonzern UniperUN01.DE mit. Dies entspricht etwa 96 Millionen Kubikmeter Erdgas und kann zwischen 50.000 und 80.000 Haushalte für ein Jahr versorgen. Die Bundesregierung hat insgesamt fünf dieser schwimmenden Anlagen gemietet. Die täglichen Mietkosten werden auf 200.000 Euro geschätzt. Jede schwimmende Einheit soll eine Kapazität von mindestens fünf Milliarden Kubikmeter (bcm) pro Jahr haben – jeweils etwas mehr als fünf Prozent des deutschen Jahresverbrauchs.

Deutschland erhält in Rekordtempo erstes LNG-Terminal

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von Tudor Dimitriu auf Pixabay

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