Frankfurt, 20. Sep – Die deutsche Chemieindustrie schlägt angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise Alarm. Es drohe eine Abwanderung von Produktion ins Ausland und damit der Verlust von Arbeitsplätzen hierzulande. „Die Lage spitzt sich extrem zu“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, am Dienstag im Gespräch mit Reuters. „Die Preise können mittlerweile immer schlechter weitergegeben werden. So denken selbst die standorttreuesten Mittelständler notgedrungen darüber nach, Produktion ins Ausland zu verlagern.“ Unternehmen, die dies nicht könnten, stünden zunehmend mit dem Rücken zur Wand und könnten kaum mehr auf dem internationalen Markt bestehen. „Großunternehmen haben deutlich mehr Möglichkeiten, die Kosten durch verstärkte Produktion im Ausland im Griff zu behalten.“
Große Entrup sprach von einem „gewaltigen Alarmruf für den Standort Deutschland“. „Der Schritt von der weltweit führenden Industrienation zum Industriemuseum war noch nie so klein. Einziger Ausweg ist eine massive industriepolitische Kraftanstrengung.“ Industriestrukturen, und damit auch Arbeitsplätze, die jetzt verloren gingen, kämen nach der Krise nicht mehr wieder. Der VCI fordert daher unter anderem eine schnelle Ausweitung des Energieangebots, wozu alle Energieträger ans Netz müssten, dazu gehörten auch Kohle und Kernkraft. Die Gasumlage müsse aus dem Bundeshaushalt gedeckt werden, damit die Energiepreise nicht noch weiter steigen. Marktrelevante Gasversorger sollten vorübergehend mit Staatsbeteiligungen gestützt werden. Er schlägt zudem eine europäische Strompreisbremse vor.
Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist mit einem Anteil von 15 Prozent am Gesamtverbrauch der größte Gasverbraucher in Deutschland. Insgesamt benötigt sie rund 135 Terawattstunden Gas im Jahr, 100 davon als Energieträger, 35 als Rohstoff für die Herstellung von Produkten. Die Gaspreise für die Lieferung im Folgemonat an dem für Kontinentaleuropa maßgeblichen niederländischen Handelspunkt TTFTRNLTTFMc1 liegen derzeit bei 185 Euro pro Megawattstunde, ein Anstieg von 150 Prozent zum Vorjahresniveau. Sie haben sich aber von ihrem Höchststand Ende August von rund 346 Euro/MWh – als Russland die Pipeline Nord Stream 1 zur Wartung schloss – fast wieder halbiert.
Chemieverband warnt vor Produktionsverlagerungen ins Ausland
Quelle: Reuters
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