London/Berlin, 17. Feb (Reuters) – Mehr als zwei Drittel der britischen Exporteure ziehen keinen Nutzen aus dem vor gut einem Jahr in Kraft getretenen Handelsabkommen mit der Europäischen Union. 71 Prozent gaben an, dass die nach dem Brexit vereinbarten Regelungen keinen Effekt auf ihren Umsatz haben, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der britischen Handelskammer unter mehr als 1000 Unternehmen hervorgeht. Nur zwölf Prozent sagten, dass das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Abkommen ihr Geschäft beflügelt habe.
„Viele Unternehmen haben weder die Zeit, noch das Personal oder das Geld, um den zusätzlichen Papierkram und die steigenden Kosten im Zusammenhang mit dem EU-Handel zu bewältigen“, sagte William Bain von der Handelskammer. „Sie können es sich auch nicht leisten, eine neue Basis in Europa zu errichten oder Vermittler zu bezahlen, die sie dort vertreten.“
Großbritannien ist 2020 nach fast 50-jähriger Mitgliedschaft aus der EU ausgetreten, nachdem sich eine knappe Mehrheit bei dem Brexit-Referendum 2016 dafür ausgesprochen hatte. Der britische Handel mit der EU unterliegt zwar keinen Zöllen, aber es gibt zusätzliche Bürokratie – etwa für Zollerklärungen. Zudem sind viele Dienstleistungsexporte eingeschränkt.
Die britischen Exporte nach Deutschland sind im vergangenen Jahr wegen der Brexit-Hürden auf das Niveau von 2003 zurückgefallen. Aus dem Vereinigten Königreich wurden nur noch Waren im Wert von rund 32 Milliarden Euro importiert, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.
Sie brachen damit um 8,5 Prozent ein, während die gesamten deutschen Einfuhren wegen der Erholung von der Corona-Flaute um 17,1 Prozent zulegten. Noch weniger britische Importe gab es zuletzt 2003 mit 31,7 Milliarden Euro. Die deutschen Exporte auf die Insel fielen mit 65,4 Milliarden Euro so niedrig aus wie seit 2010 nicht mehr. Seit dem Brexit-Referendum 2016 sind sie von dem zuvor erreichten Rekordwert von gut 89 Milliarden Euro Jahr für Jahr gesunken, 2021 noch einmal um 2,6 Prozent.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet mit anhaltenden Einbußen. „Für das laufende Jahr 2022 ist ein weiterer Rückgang der Im- und Exporte zu erwarten“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier zu Reuters. „Das Vereinigte Königreich könnte dann in der Liste der wichtigsten Handelspartner Deutschlands sogar ganz aus den Top 10 herausfallen.“ Vor dem Brexit-Referendum lag es noch auf dem fünften Platz.
Britische Exporteure – EU-Handelsabkommen bringt keinen Aufschwung
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