Die Blockchain ist derzeit in aller Munde. Die Technologie ist der Grundstein für Kryptowährungen wie Bitcoin, um die vor allem Ende 2017 ein riesiger Hype entstanden ist. Doch tatsächlich wissen nur die wenigsten, wie die Technik eigentlich funktioniert und dass sie noch sehr viel mehr als nur Kryptowährungen zu bieten hat. Durch die große Aufmerksamkeit entstanden und entstehen auch zahlreiche Startups, die sich voll und ganz auf die Blockchain konzentrieren. Mit einigen von diesen haben wir uns über das Thema unterhalten.
Die Funktionsweise einer Blockchain
Was genau eine Blockchain eigentlich ist, erklärt Masiar Ighani, CEO von der skillbyte GmbH in Köln, sehr anschaulich. Laien können sich das Ganze nach seinen Ausführungen als eine Art Exceltabelle vorstellen, bei der alle Nutzer lesenden und einige schreibenden Zugriff haben. Neue Werte werden dabei immer nur an das Ende dieser Tabelle angehängt, Änderungen in beliebigen Zeilen sind nicht möglich. Die Liste wird mittels Peer-to-Peer unter teilnehmenden Nutzern verteilt, jeder hat also eine Kopie der kompletten Datei auf dem lokalen Rechner. Änderungen werden permanent weitergereicht, damit die Liste stets aktuell ist. Sämtliche Daten sind zudem per Kryptographie geschützt, wodurch gleichzeitig die Teilnehmer anonym sind.
Um welche Daten es sich genau handelt, ist dabei im Prinzip völlig egal, wie Alexander Weipprecht, Chefredakteur des Krypto Magazins, ausführt. Statt Finanztransaktionen könnten es also auch Bilder, Videos oder Musik sein. Die Blockchain zeichnet sich lediglich dadurch aus, dass sie dezentral funktioniert, also niemand uneingeschränkten Zugriff darauf hat, und dass sie unveränderlich ist.
Die Technik ist nicht neu
Auch wenn die Blockchain erst seit relativ kurzer Zeit in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt ist, so ist die Idee dahinter alles andere als neu. Als Gründer von Bitcoin gilt das Synonym Satoshi Nakamoto, der das Prinzip einer Blockchain für ein dezentrales Zahlungssystem erstmals im Jahr 2008 in einem Whitepaper beschrieb. In seinen Quellen verweist er dabei aber auf Forschungen von Krypoexperten, Wissenschaftlern und Softwareentwicklern, die bis in die 50er Jahre zurückgehen. 1976 wurde außerdem bereits ein Papier unter dem Titel „New Directions in Cryptography“ vorgestellt, welches sich ebenfalls dem gleichen Funktionsprinzip widmet. Was sich in all den Jahren geändert hat, ist die schiere Leistungsfähigkeit von Computern.
Heute tragen die meisten Menschen Smartphones in ihrer Hosentasche, die jeden Supercomputer der 70er Jahre locker in die Tasche stecken. PCs, Notebooks und andere Computer sind nochmal um ein Vielfaches leistungsstärker und erledigen Milliarden von Berechnungen im Bruchteil einer Sekunde. Mit dieser Rechenkraft ergeben sich natürlich auch unzählige Möglichkeiten in Sachen Kryptographie und genau das machen sich moderne Ansätze der Blockchain zunutze.
Die Blockchain als Problemlöser
Im praktischen Einsatz ist die Blockchain imstande, eine Vielzahl von Problemen zu lösen. Kryptowährungen sind dabei tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs. Sebastian Hoffmann ist Partner bei ChainLabs, einer Beratung rund um Blockchain-Themen und zur Entwicklung von Lösungen. Er erzählt uns, dass die Technik unter anderem auch bei Crowdfunding, dem weltweiten Zahlungsverkehr, Ursprungszertifikaten, Registern und sogar bei Wahlen zum Einsatz kommt. Wann immer das Thema Sicherheit von Interesse ist und Daten unveränderlich gespeichert und verarbeitet werden sollen, ist die Blockchain ein guter Ansatzpunkt. In gewisser Weise ist sie der direkte Gegensatz zur Funktionsweise des derzeit vorherrschenden Finanzsystems.
Bei FIAT-Geld dreht sich alles um Vertrauen. Der Bankkunde vertraut der Bank, dass diese den Gegenwert seines Kontostandes auszahlt und er vertraut außerdem darauf, dass sein Geld einen bestimmten Wert hat. Bei der Blockchain hingegen misstrauen Nutzer den anderen erstmal, bis das gesamte Netzwerk jeglichen Zweifel ausgeräumt hat. Es ist durch diese Technik nahezu unmöglich, dass ein Einzelner auf eigene Faust Änderungen vornimmt und dadurch die Blockchain korrumpiert. Hundertprozentig sicher ist es deshalb aber nicht.
Sind Hacker ein Problem für die Blockchain?
Wo immer viel Aufmerksamkeit erregt wird, da treten früher oder später auch Hacker auf den Plan. Rund um die Blockchain gab es so manchen Vorfall, in dem Hacker die Systeme überlisteten. Das System ist dabei umso sicherer, je mehr sich an einer Blockchain beteiligen. Sind in einem Netzwerk nur einige wenige Rechner vertreten, so haben Hacker leichtes Spiel. Bei Millionen von Beteiligten Systeme hingegen steigt die Sicherheit enorm an. Doch absolute Sicherheit wird es auch hier nie geben, was einfach in der Natur der Sache liegt. Letzten Endes kann jedes System irgendwie geknackt werden.
Für die Blockchain dürften dabei in Zukunft vor allem Quantencomputer zu einer ganz neuen Herausforderung werden, davon ist auch Sebastian Hoffmann überzeugt. Jene Rechner arbeiten nicht mehr nur mit zwei Zuständen, sondern auch mit sogenannten Superpositionen und sind dadurch in der Lage, klassische Verschlüsselungen in Windeseile zu entschlüsseln. Noch steckt diese Technik in den Kinderschuhen, doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert.
Ist der Hype gerechtfertigt?
Neben der Technik selbst ist ein großes Thema bei der Blockchain der derzeitige Hype um die Technologie. Viele sehen schon eine Blase vor Augen, die nur darauf wartet, zu platzen. Für den Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Stefan Winheller ist das aber kein Problem. Der Gründer der WINHELLER Rechtsanwaltschaft beschäftigt sich unter anderem mit Kryptorecht und sieht den Hype als Chance, da er die Blockchain im Allgemeinen und Bitcoin im Speziellen in den Blick des Mainstreams brachte. Für ihn ist die Technik auch nicht die Lösung aller Probleme, gleichzeitig aber auch kein Teufelszeug.
Er empfiehlt eine unaufgeregte Herangehensweise, welche Vor- und Nachteile in den Blick nimmt. Der Hype ist nach seiner Ansicht nur ein Problem für all jene, die sich aufgrund fehlender Kenntnisse zum falschen Zeitpunkt zu Investments haben hinreißen lassen.
Die Meinungen um die Zukunft der Technik gehen im Allgemeinen weiterhin stark auseinander. Für die einen ist die Blockchain noch immer ohne jeden Zweifel das nächste große Ding, während andere darin eine Bedrohung sehen und ein Verbot fordern. Ein beliebtes Gegenargument ist vor allem der Stromverbrauch, der beim sogenannten Mining anfällt.
Mining: Fluch und Segen
Zur Blockchain gehört das Mining dazu und wie das im Detail funktioniert, verrät uns mit Albert Sperl von Cointed ein echter Experte. Er ist CMO des Unternehmens, welches sich auf ein umweltfreundliches und nachhaltiges Mining durch Wasserkraft konzentriert und seinen Kunden damit die profitable Gewinnung von Kryptowährungen ermöglichen will. Er verrät uns, dass Mining das Lösen von mathematischen Aufgaben mithilfe von extremen Rechenkapazitäten beschreibt. Die Aufgaben werden mit der Zeit immer komplexer und schwerer zu lösen.
Dies ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Kryptowährung, da damit das gesamte System am Leben erhalten wird und unter anderem auch Transaktionen durchgeführt werden. Für die Teilnehmer entstehen dabei natürlich nicht zu vernachlässigende Kosten, weshalb sie in Form von Transaktionsgebühren belohnt werden sollen. Bei Bitcoin erhalten sie also für das Lösen von Aufgaben einen Gegenwert in Form von Bitcoin.
Durch den enormen Wertanstieg ist Mining zu einem profitablen Geschäft geworden und vor allem in Asien sind riesige Farmen entstanden, die nichts anderes tun, als Kryptowährungen zu schürfen. Das Interesse daran ist sogar so groß, dass es zu einer mittelschweren Krise im Hardwaremarkt kam. Die Kryptowährung Ether lässt sich besonders gut mit Grafikkarten minen, welche eigentlich für den Einsatz in Spielerechnern geeignet ist. Durch den Hype ist die Nachfrage nach solchen Grafikkarten zuletzt explodiert und dementsprechend sind auch die Preise enorm angestiegen.
Darüber hinaus sorgen Mining-Farmen auf der ganzen Welt für einen enormen Stromverbrauch. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass Mining alleine im Jahr 2018 so viel Strom verbrauchen wird wie ganz Argentinien.
Wer nur deshalb die Blockchain vorschnell abschreibt, denkt aber zu kurz. Denn schon jetzt sind Lösungen in Arbeit, die sich genau dieser Problematik annehmen. Auch bei Bitcoin stehen Änderungen an oder wurden teilweise schon vorgenommen, welche den Stromverbrauch eindämmen sollen. Davon ab sind die Berechnungen nicht immer nur sinnlos. Mit Mining lassen sich auch Berechnungen anstellen, die einer Vielzahl von Menschen dient. Dazu gehören etwa Berechnungen im medizinischen Bereich, die bei der Bekämpfung von Krebs helfen. Ähnliche Ansätze für verteiltes Rechnen gab es schon in der Vergangenheit, doch mit der Blockchain werden Teilnehmer dafür belohnt, sodass die Anreize um ein Vielfaches höher sind.
Die Blockchain wird erwachsen
Die Technologie hinter der Blockchain ist momentan noch mit einem enormen Aufwand verbunden, weshalb sie bei Unternehmen eher zögerlich zum Einsatz kommt. Es arbeiten jedoch bereits viele Menschen daran, genau diesen Umstand zu ändern. Dazu zählt auch Jason Goldberg, Gründer und CEO von OST. Er will mit seinem Unternehmen die Blockchain für den Massenmarkt tauglich machen. Mit OST soll es künftig jedem Unternehmen möglich sein, eigene Tokens aufzusetzen und die Blockchain für sich zu nutzen. Nach seiner Ansicht bietet die Technologie ein enormes Potenzial und könnte zahlreiche Facetten der Gesellschaft, des Handels und der Wirtschaft nachhaltig verändern.
Albert Sperl geht sogar so weit und vergleicht die Bedeutung der Blockchain mit der des Internets. Wie sich das Thema weiterentwickelt, ist derzeit aber nicht genau abzusehen. Sicher ist wohl nur, dass die Blockchain gerade in Sachen IT in Zukunft überall in irgendeiner Weise zum Einsatz kommen wird. Zahlreiche große Unternehmen forschen bereits an eigenen Lösungen, darunter auch Banken.
Gerade bei Letzteren steht unter anderem die Befürchtung im Raum, dass diese durch die Blockchain obsolet werden könnten. Der Digitalstratege Sven Wiesner aus Hamburg sieht diese Möglichkeit ebenfalls, sollten die Geldhäuser es in den nächsten Jahren nicht schaffen, ihr Geschäftsmodell vom reinen Verwalter zu einem Partner auf Augenhöhe zu entwickeln.
Auch Albert Sperl sieht in der Blockchain grundsätzlich das Potenzial, um Banken überflüssig zu machen. Ein kleines Boot in eine neue Richtung zu lenken sei schließlich einfacher, als dies mit einem schwerfälligen Tanker zu tun. Wer jetzt schon Angst um seine Ersparnisse und sein Bargeld hat, den kann Stefan Winheller aber beruhigen. Er geht davon aus, dass die Blockchain Banken zumindest nicht vollständig ersetzen wird. Letzten Endes seien es immer noch Menschen, die mit anderen Menschen kommunizieren und Geschäfte treiben wollen und es wird nach seiner Ansicht immer Bereiche geben, die frei von Technik bleiben.
In genau diesen Bereichen könnten sich dann künftig auch Banken bewegen. Bis die Blockchain eine ernste Gefahr für Banken darstellt, werden aber fraglos noch einige Jahre vergehen und es stellt sich dabei auch die Frage, wie die Regierungen rund um den Globus mit dem Thema umgehen werden.
Begünstigt die Blockchain kriminelle Energien?
In das Fadenkreuz von Regierungen sind Kryptowährungen nicht zuletzt deshalb geraten, weil mit Bitcoin und Co. gerne illegale Geschäfte und andere kriminelle Machenschaften abgewickelt werden. Das ist auch nicht abzustreiten, aber dennoch nur ein bedingt valides Argument gegen die Blockchain. Zum einen sind Kryptowährungen an sich nur ein Teil der Technik, zum anderen ist es nicht so, als hätten Kriminelle keine Alternativen. Sie nutzen Kryptowährungen aktuell, weil es für solche Geschäfte mit eine der bequemsten Lösungen darstellt.
Sollten die Währungen verboten werden, und ob das so einfach durchzuführen ist, ist nochmal eine andere Frage, werden Kriminelle sich aber einfach Alternativen suchen. Ein Verbot von Kryptowährungen alleine würde mit hoher Wahrscheinlichkeit keine kriminellen Machenschaften unterbinden.
Was aber auch Experten derzeit erwarten, ist eine verstärkte Regulierung des Marktes. Es herrscht derzeit eine gewisse Wild-West-Mentalität rund um Kryptowährungen. Was am Aktienmarkt klar illegal wäre, das wird bei Kryptowährungen derzeit schonungslos durchgeführt. Dazu gehört etwa das künstliche Hochtreiben von Kursen, wobei die Verantwortlichen sich des Phänomens „Fear of Missing out“ (FOMO) bedienen. Durch gezielte Zukäufe wird der Kurs einer bestimmten Währung dabei hochgetrieben und der Vorgang durch soziale Medien bewusst beworben.
Ziel ist es, Anleger dazu zu bringen, in eine Währung zu investieren aus Angst, einen bevorstehenden Kursanstieg zu verpassen. Am Höhepunkt steigen die Initiatoren aus, bereichern sich am Gewinn und die Ahnungslosen müssen herbe Verluste hinnehmen. Derartige und andere Probleme gilt es noch in den Griff zu bekommen.
Lohnt sich ein Investment in Bitcoin und Co.?
Geht es um das Thema Blockchain, wird früher oder später unweigerlich die Frage gestellt, ob sich ein Investment darin jetzt noch lohnt. Leider gibt es darauf aber keine einfache Antwort. Es handelt sich um reine Spekulation. Der Kurs von Bitcoin, Ethereum, IOTA und anderen Währungen könnte sich in den nächsten Jahren nochmal vervielfachen. Er könnte ebenso gut aber auch abstürzen. Zu beachten ist dabei auch, dass es mit Sicherheit zu einer Konsolidierung kommen wird.
Derzeit gibt es mehr als 1.000 Kryptowährungen und diese werden auf Dauer nicht alle bestehen. Wer in die falschen Coins investiert, kann am Ende deshalb einen Totalverlust erleben.
Darauf macht auch Albert Sperl seine Kunden aufmerksam und empfiehlt stets, sich sehr genau über die Risiken zu informieren. Wer danach immer noch investieren möchte, sollte immer nur die Menge an Geld dafür nehmen, die er ohne unmittelbare Auswirkungen auf das tägliche Leben verlieren kann. Auf gar keinen Fall sollte jemand aufgrund von Verlusten bei Kryptowährungen nicht mehr in der Lage sein, die eigene Miete zu bezahlen oder sogar einen Kredit aufnehmen, um Bitcoin zu kaufen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Währungen nicht vom klassischen Aktienmarkt.
HODL!
Ob eine bestimmte Kryptowährung nun die Zukunft ist oder doch nur eine Blase, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Zweifellos wird die Blockchain aber auch in Zukunft eine große Bedeutung haben und den Alltag der Menschen in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Auch wenn es zu Regulierungen oder sogar Verboten kommen sollte, so lässt sich die zugrundeliegende Technik nicht mehr aufhalten. Die große Frage ist dabei lediglich, in welchen Bereichen die Blockchain die größten Veränderungen bringen wird. Sicher ist dabei bisher noch nichts und auch Bitcoin als Mitbegründer des derzeitigen Hypes ist vor einem Absturz nicht sicher.
Die Blockchain an sich ist aber ein sicheres Pferd. Wer darin investieren oder sich die Technik auf andere Weise zunutze machen möchte, muss von der Blockchain selbst überzeugt sein. Veteranen aus dem Bereich geben Einsteigern dafür auch gerne den kurzen Rat „HODL“. Dabei handelt es sich auf eine bewusste Falschschreibung des englischen Wortes „Hold“, was übersetzt soviel heißt wie „Halten“. Der Begriff geht zurück auf den Foreneintrag in einem Bitcoin-Forum, der von einem offenbar betrunkenen Nutzer verfasst wurde, der darin nach einem Kurseinbruch im Dezember 2013 seine Überzeugung zu Bitcoin zum Besten gab.
Auch heute ist dieses Prinzip eine gesunde Grundeinstellung zum Thema Blockchain. Auch wenn mit Kryptowährungen enorme Gewinne in kurzer Zeit möglich sind, so wird die Technik an sich erst langfristig ihr ganzes Potenzial zeigen.
Titelbild stock.adobe.com – amixstudio
Autor: Andreas Göttling Daxenbichler
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