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Baerbock in „unfreundlichem Umfeld“ – Rendez-vous mit Lawrow

Moskau/Kiew, 19. Jan (Reuters) – Einige Worte und Taten von Annalena Barbock in Kiew konnten ganz subtil als kleine diplomatische Spitzen gegen ihre nächste Verabredung verstanden werden: den russischen Außenminister Sergej Lawrow.

Zunächst einmal wählte die immer noch neue deutsche Außenministerin als Tag für ihren Antrittsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt das 30-jährige Jubiläum der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Dann legte Baerbock in einem symbolischen Akt einen Strauß roter Rosen am Mahnmal zum Gedenken an die gut 100 Toten bei den pro-europäischen Demonstrationen auf dem Maidan-Platz in Kiew im Februar 2014 nieder.

Im Anschluss ließ sich Baerbock am Montag bei grau-kaltem Wetter von der deutschen Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen, ausführlich die Zusammenhänge der damaligen dramatischen Geschehnisse erklären. Dabei hätte es in Kiew sicher noch andere Mahnmale gegeben, aber Baerbock wählte jenes, das auch als Symbol für das Unbehagen der Ukraine gegenüber Russland gilt.

Und schließlich betonte Baerbock bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, wie jung beide doch seien. Dies sei auch Ausdruck eines Aufbruchs beider Länder und nach 30 Jahren diplomatischer Beziehungen Grund, auf die nächsten 30 Jahre zu blicken. Kaum vorstellbar, dass Baerbock Ähnliches zu ihrem russischen Kollegen Lawrow sagen würde, der mittlerweile seit knapp 18 Jahren im Amt ist und im März 72 Jahre alt wird.

Lawrow

„UND DAS MEINEN WIR ERNST“

Gut 24 Stunden später wurde Baerbock von Lawrow im Gästehaus des russischen Außenministeriums in Moskau empfangen. In ihrer Eingangserklärung betont die Außenministerin die Bedeutung der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Deutschland sei „nach den Schrecken der Nazi-Diktatur“ den Menschen in Russland auf ewig dankbar. Um dies deutlich zu machen, habe sie am Grab des Unbekannten Soldaten in Moskau einen Kranz niedergelegt, erläutert Baerbock. „Es gibt keine Alternative zu stabilen Beziehungen zwischen Moskau und Berlin.“

Lawrow nahm Baerbocks Worte mit steinerner Miene zur Kenntnis. Er dürfte wohl geahnt haben, was danach kommen würde. Denn Baerbock findet mit Blick auf die aktuellen Spannungen mit der Ukraine-Krise im Mittelpunkt ebenso deutliche Worte. „Wir haben keine andere Wahl, als unsere gemeinsamen Regeln zu verteidigen, auch wenn dies einen hohen wirtschaftlichen Preis hat“, sagt sie auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lawrow nach den rund zweieinhalbstündigen Beratungen. In Kiew hatte sie am Montag gewarnt, es hätte „einen hohen Preis“, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. „Und das meinen wir sehr ernst.“

„UM EIN ZEICHEN ZU SETZEN“

Baerbocks Termin in Moskau war der erste, der die 41-jährige Ministerin in ein „unfreundliches Umfeld“ führte. Bislang hatte die Grünen-Politikerin ausschließlich mit Verbündeten zu tun: Paris, Brüssel, Warschau, Stockholm, Rom, Washington und die G7 standen in ihrem Kalender – für eine Novizin in diesem Amt sicherlich ein sanfter Einstieg. Allenfalls in Polen waren leichte Spannungen zu spüren, doch die lächelte Baerbock souverän weg. Nun also Moskau, nun also Lawrow – der sich in all den Jahren den Ruf eines harten Gesprächspartners erarbeitet hat.

Dass sich Baerbock davon nicht abschrecken ließ, zeigte allein die Dauer der Unterredung im Gästehaus des russischen Außenministeriums. Geplant war eine Stunde, zusammen saßen die Delegationen schließlich zweieinhalb Stunden. Bei der anschließenden Pressekonferenz ließ sich Baerbock nicht aus der Ruhe bringen, machte den Standpunkt der Bundesregierung mit Blick auf die Ukraine noch einmal sehr deutlich und ließ sich auch von einer russischen Journalistin nicht beirren, die einen Mangel an Pressefreiheit in Deutschland beklagte.

Baerbocks Reise sei „in beiden Teilen ein Erfolg“ gewesen, bilanzierte Alexander Graf Lambsdorff, der Außenpolitik-Experte der FDP, am Mittwochmorgen. „Russland bleibt ein wichtiger internationaler Akteur“, betonte er. „Wir wissen um die Bedeutung der deutsch-russischen Beziehungen.“ Dies habe Baerbock zum Ausdruck gebracht. Aber: „Es war wichtig, dass sie zuerst die Ukraine besucht hat, um ein Zeichen zu setzen.“ 

Baerbock in „unfreundlichem Umfeld“ – Rendez-vous mit Lawrow

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