Berlin, 08. Jan (Reuters) – SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat die Forderungen nach einem Stopp der EU-Kommissionsvorschläge zur Klassifizierung von Atomkraft und Gas als nachhaltige Energien als utopisch bezeichnet. „Einige unterschätzen leider massiv die formalen Hürden, vor denen wir stehen“, sagte Kühnert in einem am Samstag veröffentlichten Reuters-Interview. Der Kommissionsvorschlag zur Taxonomie könne im Rat nur mit den Stimmen von mindestens 20 Mitgliedsstaaten gestoppt werden. „Das ist völlig utopisch, da Deutschland zur Atomkraft beispielsweise eine klare Minderheitsposition unter den EU-Regierungen vertritt.“ Deshalb sei es klug von der Bundesregierung gewesen, den Kommissionsvorschlag frühzeitig so weit wie möglich zu beeinflussen. Gaskraftwerke würden nur als Übergangstechnologie eingestuft, wenn sie wasserstofftauglich seien.
„Dass Gas als Brücken-Energieträger gebraucht wird, ist keine Erfindung der Kommission, sondern findet sich so auch im Ampel-Koalitionsvertrag.“ Das könne jetzt niemanden ernsthaft überraschen, sagte er in Anspielung auf Kritik bei den Grünen. „Wir haben immer gesagt, dass wir das brauchen. Wie schnell wir Gas nicht mehr brauchen, hängt von unserem Energiebedarf ab und der Frage, wie schnell wir die Erneuerbaren ausbauen. Je schneller der Ausbau der Erneuerbaren und der Speicherkapazitäten, desto schneller und großflächiger können wir aus fossilen Energieträgern aussteigen.“
Kühnert sieht die SPD in der Debatte nicht in der Defensive. „Wir haben den Ausstieg aus der Atomenergie nicht nur forciert, sondern politisch durchgesetzt“, sagte er. „Und zum Gas haben wir keine romantische Beziehung, sondern sehen ganz nüchtern den Energiebedarf unserer Industriegesellschaft und den bisher schleppenden Ausbau von Erneuerbaren.“ Die Mehrzahl der Umweltverbände akzeptiere, dass Gas im Übergang gebraucht werde.