Freitag, November 8, 2024
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Analyse: Neusortierung der Welt – China lässt Berlin und Tokio zusammenrücken

Tokio/Berlin, 20. Mrz – Am Wochenende vereinbarten Deutschland und Japan bei ihren ersten Regierungskonsultationen eine Liste mit 25 Punkten für eine engere Zusammenarbeit. Aber beide Regierungen schafften es, den eigentlichen Grund für die rapide Annäherung der beiden G7-Staaten und Exportnationen in den vergangenen Monaten nicht mit einem einzigen Wort zu erwähnen – China. 

Die Welt wird gerade neu vermessen, betonen auch EU-Diplomaten. In dem Maße, in dem Russland, China und Nordkorea als eine gemeinsame Gefahr für die eigene Sicherheit wahrgenommen werden, rückt die westliche Welt zusammen. Auch in der traditionell sehr eurozentrisch denkenden Bundesregierung wird nun mit der Indopazifik-Strategie das Interesse der Europäer an Ostasien formuliert. Die G7-Regierungschefs und -Außenminister der westlichen Industrienationen stimmen sich in einem vorher nie gekannten Maße ab. Denn von der Sicherheit der Handelsrouten durch das Südchinesische Meer, über die Versorgung mit Rohstoffen bis zu Abhängigkeit von chinesischen Produkten auch in Netzen der Kritischen Infrastruktur haben die westlichen Staaten heute fast alle die gleichen Probleme. Denn seit der russischen Invasion in der Ukraine wird für denkbar gehalten, dass auch China etwa im Falle Taiwans irgendwann zu kriegerischen Mitteln greifen könnte.

Kanzler Olaf Scholz hatte deshalb 2022 als Antwort auf den russischen Angriff die Parole ausgegeben, dass sich die westlichen Demokratien nun verstärkt um Gleichgesinnte auf anderen Kontinenten kümmern und zusammenrücken müssten. Das erklärt seine Afrika-, Lateinamerika- und Indienreisen. Deshalb besuchte er als Kanzler zuerst Japan und dann China. Deshalb gibt es nun Regierungskonsultationen mit Tokio. Deshalb hatte sich auch der Bundespräsident auf die weite Reise in das von Berlin lange eher mit Desinteresse betrachtete Japan gemacht. Bis dahin galt Japan trotz eines bilateralen Handelsvolumens von 45,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr mit einer ähnlichen Industriestruktur eigentlich eher als Konkurrent denn als Partner der deutschen Wirtschaft.

Aber wegen der neuen Weltsicht besuchte nun Boris Pistorius als erster deutscher Verteidigungsminister seit 16 Jahren die ostasiatische Insel, um eine engere Militärkooperation auszuloten. Das ist die vielleicht überraschendste Entwicklung. Denn Deutschland und Japan hatten sich als Hauptverantwortliche des Zweiten Weltkriegs nach 1945 lange eine militärische Zurückhaltung auferlegt. Die Kriegsschuld hat dazu geführt, dass es in beiden Ländern eine deutliche Abneigung gegen den Einsatz von Militär gab. Doch dies ändert sich fast parallel in beiden Ländern. Deutschland hat seit den 90er Jahren eine Normalisierung seiner Sicherheitspolitik vorangetrieben. Japan ist ebenfalls dabei, den Spielraum seiner Streitkräfte wieder auszuweiten – und massiv aufzurüsten. 

„Japan wird seine Verteidigungsausgaben in den kommenden fünf Jahren verdoppeln“ betonte Pistorius in Tokio, der nun die Möglichkeit von Rüstungskooperationen mit der Hightech-Nation wittert. Deutschland nimmt zudem an Manövern im indo-pazifischen Raum teil und will dies 2024 wiederholen. Deutsche Eurofighter flogen 2022 bis Australien. Dahinter steckt mit dem Blick auf die Landkarte auch die Erkenntnis, dass sich Demokratien wie Australien, Südkorea und Japan alleine dem Riesen China ausgeliefert sehen.

Dazu kommt, dass sich auch in Ostasien etwas tut. Kurz vor Scholz besuchte der südkoreanische Ministerpräsident Han Duck-soo die japanische Hauptstadt. Dabei stand jahrzehntelang die nicht konsequente Aufarbeitung der japanischen Kriegsverbrechen im damals besetzten Korea einer wirklichen Annäherung der beiden US-Verbündeten im Weg. Jetzt ist das gemeinsame Gefühl einer möglichen gemeinsamen Bedrohung durch die aufstrebende Supermacht China, Russland und Nordkorea aber so groß, dass die Streitthemen zwischen Tokio und Seoul als nachgeordnet wirken. 

Und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida wirbt ausdrücklich auch um die Solidarität des fernen Deutschlands. „Europa und die indopazifische Region, diese beiden Regionen und die Sicherheit lassen sich nicht voneinander trennen“, betonte er nach dem Treffen mit Scholz. Dieser wiederum lobte, dass sich Japan trotz der geografischen Entfernung sehr klar den Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat und die Ukraine auch militärisch unterstützt. Gleichzeitig vereinbaren die USA, Großbritannien und Australien eine engere militärische Zusammenarbeit etwa bei U-Booten. „Auch andere westliche Partner – seien es Australier, Japaner, Koreaner, Briten, Franzosen, Deutsche oder Niederländer – sollen sich in Südostasien und besonders im Südchinesischen Meer für freien Schiffsverkehr und ein auf Regeln basierendes System einsetzen“, fordert James Heappey, Staatssekretär im britischen Verteidigungsministerium, in der „Welt“. 

Aber nicht nur die Demokratien sortieren sich neu: China hat gerade eine Wiederannäherung zwischen den rohstoffreichen autokratischen Staaten Saudi-Arabien und Iran mit ausgehandelt. Und am Montag folgt der nächste Schritt, der den Eindruck einer Blockbildung noch unterstreicht: Chinas Staatspräsident Xi Jinping beginnt einen dreitägigen Besuch in Moskau.

Tokio, 19. Mrz – Am Wochenende vereinbarten Deutschland und Japan bei ihren ersten Regierungskonsultationen eine Liste mit 25 Punkten für eine engere Zusammenarbeit. Aber beide Regierungen schafften es, den eigentlichen Grund für die rapide Annäherung der beiden G7-Staaten und Exportnationen in den vergangenen Monaten nicht mit einem einzigen Wort zu erwähnen – China. 

Die Welt wird gerade neu vermessen, betonen auch EU-Diplomaten. In dem Maße, in dem Russland, China und Nordkorea als eine gemeinsame Gefahr für die eigene Sicherheit wahrgenommen werden, rückt die westliche Welt zusammen. Auch in der traditionell sehr eurozentrisch denkenden Bundesregierung wird nun mit der Indopazifik-Strategie das Interesse der Europäer an Ostasien formuliert. Die G7-Regierungschefs und -Außenminister der westlichen Industrienationen stimmen sich in einem vorher nie gekannten Maße ab.

Denn von der Sicherheit der Handelsrouten durch das Südchinesische Meer, über die Versorgung mit Rohstoffen bis zu Abhängigkeit von chinesischen Produkten auch in Netzen der Kritischen Infrastruktur haben die westlichen Staaten heute fast alle die gleichen Probleme. Denn seit der russischen Invasion in der Ukraine wird für denkbar gehalten, dass auch China etwa im Falle Taiwans irgendwann zu kriegerischen Mitteln greifen könnte.

Kanzler Olaf Scholz hatte deshalb 2022 als Antwort auf den russischen Angriff die Parole ausgegeben, dass sich die westlichen Demokratien nun verstärkt um Gleichgesinnte auf anderen Kontinenten kümmern und zusammenrücken müssten. Das erklärt seine Afrika-, Lateinamerika- und Indienreisen. Deshalb besuchte er als Kanzler zuerst Japan und dann China. Deshalb gibt es nun Regierungskonsultationen mit Tokio.

Deshalb hatte sich auch der Bundespräsident auf die weite Reise in das von Berlin lange eher mit Desinteresse betrachtete Japan gemacht. Bis dahin galt Japan trotz eines bilateralen Handelsvolumens von 45,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr mit einer ähnlichen Industriestruktur eigentlich eher als Konkurrent denn als Partner der deutschen Wirtschaft.

Aber wegen der neuen Weltsicht besuchte nun Boris Pistorius als erster deutscher Verteidigungsminister seit 16 Jahren die ostasiatische Insel, um eine engere Militärkooperation auszuloten. Das ist die vielleicht überraschendste Entwicklung. Denn Deutschland und Japan hatten sich als Hauptverantwortliche des Zweiten Weltkriegs nach 1945 lange eine militärische Zurückhaltung auferlegt.

Die Kriegsschuld hat dazu geführt, dass es in beiden Ländern eine deutliche Abneigung gegen den Einsatz von Militär gab. Doch dies ändert sich fast parallel in beiden Ländern. Deutschland hat seit den 90er Jahren eine Normalisierung seiner Sicherheitspolitik vorangetrieben. Japan ist ebenfalls dabei, den Spielraum seiner Streitkräfte wieder auszuweiten – und massiv aufzurüsten. 

„Japan wird seine Verteidigungsausgaben in den kommenden fünf Jahren verdoppeln“ betonte Pistorius in Tokio, der nun die Möglichkeit von Rüstungskooperationen mit der Hightech-Nation wittert. Deutschland nimmt zudem an Manövern im indo-pazifischen Raum teil und will dies 2024 wiederholen. Deutsche Eurofighter flogen 2022 bis Australien. Dahinter steckt mit dem Blick auf die Landkarte auch die Erkenntnis, dass sich Demokratien wie Australien, Südkorea und Japan alleine dem Riesen China ausgeliefert sehen.

Dazu kommt, dass sich auch in Ostasien etwas tut. Kurz vor Scholz besuchte der südkoreanische Ministerpräsident Han Duck-soo die japanische Hauptstadt. Dabei stand jahrzehntelang die nicht konsequente Aufarbeitung der japanischen Kriegsverbrechen im damals besetzten Korea einer wirklichen Annäherung der beiden US-Verbündeten im Weg. Jetzt ist das gemeinsame Gefühl einer möglichen gemeinsamen Bedrohung durch die aufstrebende Supermacht China, Russland und Nordkorea aber so groß, dass die Streitthemen zwischen Tokio und Seoul als nachgeordnet wirken. 

Und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida wirbt ausdrücklich auch um die Solidarität des fernen Deutschlands. „Europa und die indopazifische Region, diese beiden Regionen und die Sicherheit lassen sich nicht voneinander trennen“, betonte er nach dem Treffen mit Scholz. Dieser wiederum lobte, dass sich Japan trotz der geografischen Entfernung sehr klar den Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat und die Ukraine auch militärisch unterstützt. Gleichzeitig vereinbaren die USA, Großbritannien und Australien eine engere militärische Zusammenarbeit etwa bei U-Booten.

Aber nicht nur die Demokratien sortieren sich neu: China hat gerade eine Wiederannäherung zwischen den rohstoffreichen autokratischen Staaten Saudi-Arabien und Iran mit ausgehandelt. Und am Montag folgt der nächste Schritt, der den Eindruck einer Blockbildung noch unterstreicht: Dann wird Chinas Staatspräsident Xi Jinping zu einem dreitägigen Besuch in Moskau erwartet.

Analyse: Neusortierung der Welt – China lässt Berlin und Tokio zusammenrücken

Quelle: Reuters

Symbolfoto: Bild von abdulla binmassam auf Pixabay

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