Samstag, April 27, 2024
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Wie die Ampelkoalition Infrastrukturprojekte beschleunigen will

Die Umsetzung von großen Infrastrukturprojekten in Deutschland dauert viel zu lange – darüber besteht zwischen den politischen Parteien Einigkeit. Besonders die Ampelkoalition als selbsternannte „Fortschrittskoalition“ hat sich die Beschleunigung auf die Fahnen geschrieben. Dieses Ziel hatten aber auch schon vorherige Regierungen. Eine wirkliche Planungsbeschleunigung ist dadurch aber nicht wirklich eingetreten. Hat die Bundesregierung also nunmehr die Lösung gefunden?

Beschleunigung von Gerichtsverfahren 

Ein Baustein dieses Vorhabens ist ein Gesetzesentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welchen das Bundeskabinett am 30.11.2022 beschlossen hat. Damit sollen unter anderem Windkraftanlagen, Hochspannungsleitungen, Flughäfen, Eisenbahnstrecken und Straßen schneller geplant werden.

Durch diesen Entwurf werden Anpassungen des Verwaltungsprozessrechts vorgenommen, die zu einer Beschleunigung führen sollen. Teile des Entwurfes zielen unter anderem darauf ab, ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot zu etablieren, wodurch Verfahren über den Ausbau von Gasversorgungsleitungen bevorzugt bearbeitet werden können. Auch soll es schon früher zu einem ersten Erörterungstermin vor Gericht kommen und das Gericht soll ein Vorbringen nach Ablauf bestimmter Fristen leichter als bislang als verspätet zurückweisen können.

Auch soll der einstweilige Rechtsschutz überarbeitet werden, damit Projekte nicht mehr so oft vorläufig gestoppt werden, bis über sie gerichtlich endgültig entscheiden worden ist. So sollen Mängel, die offensichtlich sehr bald behoben werden können, außer Acht gelassen werden. Außerdem soll die besondere öffentliche Bedeutung der Projekte bei der Entscheidung berücksichtigt werden. 

Weitere Änderungen betreffen die Zuständigkeit der Gerichte: An den Verwaltungsgerichten sollen eigene Spruchkörper für das Planungsrecht eingerichtet werden, denen Richter mit besonderen Kenntnissen im Planungsrecht zugewiesen sind. Außerdem soll die schon vorhandene erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für gewisse Infrastrukturprojekte im Verkehrsbereich für Vorhaben zur Errichtung und Anbindung von Terminals zum Import von Wasserstoff erweitert werden. 

Weitergehende Vorhaben

Zusätzlich zu den Anpassungen im Prozessrecht stehen weitere Vorschläge im Raum. Verkehrsminister Wissing hatte in einem FAZ-Interview angedeutet, die Rechte von Umweltschutzverbänden beschneiden zu wollen, damit diese Infrastrukturprojekte nicht mehr so lange hinauszögern könnten. Naturgemäß stieß dies auf Kritik aus dem Umweltministerium. Außerdem kursieren Vorschläge, das Genehmigungsverfahren generell zu beschleunigen und etwa für Ersatzneubauten für marode Infrastrukturobjekte die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen zu lassen. Auch bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz sollte das Thema auf der Agenda stehen, wurde dann allerdings nicht beraten. Wann und zu welchen weiteren Beschlüssen es kommt, lässt sich allerdings noch nicht abschätzen. 

Auf die Umsetzung kommt es an

Die bisherigen Vorschläge werden absehbar nicht ohne Weiteres zu einer Beschleunigung der Verfahren führen. Für Unternehmen besteht weitergehend also keine Gewissheit, ob es zu spürbaren Beschleunigungen in der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte kommt.

Die bereits in der Vergangenheit praktizierten gesetzgeberischen Eingriffe in die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter gegen Infrastrukturprojekte brachten erfahrungsgemäß wenig Verbesserung: So ist ein möglichst frühzeitiger Verhandlungstermin in einem solchen Verfahren sicherlich eine wohlgemeinte Idee, er wird aber in einer hochkomplexen Materie wie dem Fachplanungsrecht in den seltensten Fällen zu einer Verfahrensbeendigung führen.

Auch die Einschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes wird kaum zu einer erheblichen Beschleunigung beitragen. Auch hier muss bereits eine umfassende Abwägung stattfinden, und auch nach dem Gesetzesentwurf muss die Entscheidung alle Interessen in den Blick nehmen und zu einer angemessenen Entscheidung auch im vorläufigen Verfahren kommen, damit die Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes gewahrt bleibt. 

Aber auch die Schaffung von neuen Zuständigkeiten ist kein Allheilmittel. Die Kernkompetenz des Bundesverwaltungsgerichts ist seine Funktion als Revisionsgericht, welches die Entscheidungen aller anderen Verwaltungsgerichte überprüft. Wenn dann aber immer weitere Verfahren dazukommen, in denen das Bundesverwaltungsgericht das einzige entscheidende Gericht ist, besteht die Gefahr der Überlastung.

Auch darüber hinaus ist die erst- und somit auch letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts kritisch zu sehen. Ein Rechtsstaat lebt davon, dass gerichtliche Entscheidungen durch höhere Gerichte überprüfbar sind. Vorhaben möglichst schnell durchzusetzen und keine Überprüfungsmöglichkeit zuzulassen wird nicht zu einer breiten Akzeptanz von Infrastrukturprojekten führen, wie sie eigentlich gewollt ist. 

Viel effizienter wäre es, die Verwaltungsgerichte und die Planungsbehörden personell angemessen auszustatten und auch digital auf den neuesten Stand zu bringen. Das ist freilich ein Dauerstreitpunkt zwischen Bund und Ländern. Die Länder müssen alle Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte sowie auch die Planungsbehörden finanzieren und werden mit dieser Aufgabe größtenteils allein gelassen.

Wenn es die Bundesregierung ernst meint mit ihrem Anliegen der Planungsbeschleunigung, muss sie auch bereit sein die nötigen finanziellen Mittel dafür bereitzustellen. Andernfalls werden die beschlossenen Maßnahmen wohl genauso wenig zu einer Beschleunigung beitragen wie die zahllosen Gesetzesänderungen der vorherigen Regierungen, in deren Kette sich das aktuelle Vorhaben nunmehr einreiht. 

Wie die Ampelkoalition Infrastrukturprojekte beschleunigen will

Autor

Dr. Olaf Dziallas ist Rechtsanwalt und Partner der Wirtschafts- und Anwaltskanzlei FPS in Frankfurt und seit 2007 Fachanwalt für Verwaltungsrecht.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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