Assoziierter Prof. Dr. Alexander Braun ist Speaker auf der insureNXT 2022, wir haben ein Interview mit Alexander Braun geführt:
Stellen Sie sich doch bitte kurz vor!
Ich bin Assoziierter Professor für Versicherung und Kapitalmärkte an der Universität St. Gallen und Direktor am dortigen Institut für Versicherungswirtschaft (I.VW). In dieser Funktion begleite ich die digitale Transformation der Branche aus der Perspektive der Wissenschaft.
Stellen Sie uns doch kurz ihr Unternehmen vor!
Die Universität St. Gallen gehört zu den führenden Business Schools in Europa. Das I.VW ist international aufgestelltes wissenschaftliches Institut im Bereich Risikomanagement und Versicherungswirtschaft. Wir arbeiten interdisziplinär und kooperieren regelmässig mit Partnern aus der Praxis, um erstklassige Forschungs-, Lehr- und Weiterbildungsleistungen zu erbringen.
Was sind Ihre Aufgaben im Unternehmen?
Zu meinen Kernaufgaben gehören Grundlagenforschung, anwendungsorientierte Forschung, universitäre Lehre und Executive Education. Darüber hinaus nehme ich regelmässig Engagements als Moderator, Experte und Speaker wahr. Mein Fokus liegt auf der Innovation in der Versicherungswirtschaft. Zu diesem Bereich gehören die Herausforderungen im Bereich der digitalen Transformation, aber auch alternative Risikotransferinstrumente und Nachhaltigkeit.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag von Ihnen aus?
Das ist schwer zu sagen, da der Job als Wissenschaftler viel Abwechslung mit sich bringt. Tage, an denen die Forschung im Vordergrund steht, laufen völlig anders ab als Tage, an denen ich doziere oder mit Praxispartnern zusammenarbeite. Forschung hat viele kreative Elemente und erfordert Zeiten, in denen man intensiv über ein Problem nachdenkt. Eher praxisorientierte Tage hingegen können sehr ähnlich strukturiert sein, wie man das aus dem Unternehmensalltag kennt: mit Meetings, Calls, Mitarbeitergesprächen usw.
Über welches Thema sprechen Sie auf der insureNXT?
Im Rahmen der diesjährigen insureNXT sind zwei Beiträge von mir eingeplant. Am 18. Mai gebe ich im Block NXT|GEN Research/Science Outlook in der Trend Zone eine wissenschaftliche Einschätzung rund um das Thema neue Geschäftsmodelle in der Versicherungswirtschaft. Am 19. Mai werde ich dann Teil des Panels zum Thema «NXT|TRENDS: Environment Change, What´s Next?» auf der Center Stage sein.
Wer sollte sich Ihren Vortrag nicht entgehen lassen?
Ich hoffe, mit meinen Themen die insureNXT Community in der ganzen Breite anzusprechen. Sowohl Geschäftsmodellinnovation als auch Nachhaltigkeit sind Fragen, mit denen sich sowohl traditionelle Versicherer als auch InsurTechs auseinandersetzen.
Welche Anlagestrategien haben Sie persönlich?
Ich lege streng nach wissenschaftlichen Erkenntnissen an. Das klingt zunächst komplex, entpuppt sich bei näherer Betrachtung aber als sehr einfach und ist für jedermann leicht replizierbar. Bis heute gibt es keine empirische Evidenz für persistente Überrenditen (Alpha) durch aktives Management. Vor diesem Hintergrund gilt es vor allem zwei Regeln zu beachten: breite Diversifikation und Minimierung der Transaktionskosten. Zudem sollte man für ein erfolgreiches Engagement in Aktien einen mindestens zehnjährigen Anlagehorizont wählen: je länger die Anlageperiode, desto weniger muss man sich um die Volatilität der Anlageklasse sorgen. Es geht dann um die Vereinnahmung von Faktorrisikoprämien (Beta) für systematische Risiken, von denen die empirische Kapitalmarktforschung in den vergangenen Jahrzehnten eine ganze Reihe identifiziert hat. Die Kosten lassen sich sehr gut mittels Exchange-Traded Funds (ETFs) geringhalten. Im einfachsten Fall investiert man z. B. lediglich in den MSCI-World. Wem das zu langweilig ist, der kann über individuelle Allokationen eine stärkere Gewichtung bestimmter Beta-Faktoren (z. B. Momentum) oder Themen (z. B. Aging Society) vornehmen. Wer dann noch über konstante, regelmässige Sparraten investiert, macht sich zusätzlich vom Einstiegszeitpunkt unabhängig.
Wie fit sind Sie im Kryptobereich?
Ich beschäftige mich seit 2017 mit der Blockchain-Technologie und der Kryptolandschaft. Vor allem in der ersten Phase bis zum Krypto-Crash im Januar 2018 habe ich mich sehr aktiv in verschiedenen Coins und ICOs engagiert. Seitdem beschäftigt mich der Bereich vor allem aus wissenschaftlicher Sicht und ich bringe das Thema den Teilnehmenden im Rahmen unserer Executive Education näher.
Wie bewerten Sie die Kryptoszene?
Viele der heute zur Verfügung stehenden Kryptoassets sind aus wissenschaftlicher Sicht eine hochspekulative Anlageform. Dies gilt vor allem für solche Coins, die keinerlei Funktion abseits der digitalen Wertübermittlung erfüllen. Im Bereich der Decentralized Finance (DeFi) hat allerdings eine interessante und vielversprechende Entwicklung eingesetzt. Mit neuen Möglichkeiten, wie der Verleihung von Kryptoassets oder der Beteiligung an Liquiditäts-Pools lassen sich nun Renditen erwirtschaften, denen eine fundamentale ökonomische Leistung zugrunde liegt. Ich halte diesen Bereich für vielversprechend und denke, dass sich einige Modelle in den kommenden etablieren werden.
Wie wichtig sind Events für das Networking und den Erfahrungsaustausch?
Auch im Zeitalter der digitalen Transformation nehmen physische Events eine wichtige Stellung für Networking und Erfahrungsaustausch ein. Wir setzen am I.VW trotz neuer Online-Formate nach wie vor auf Tagungen. Aus meiner Sicht wird das auch bis auf absehbare Zeit so bleiben, da das Erlebnis eines physischen Events in einem Online-Kontext nicht gleichwertig abgebildet werden kann.
Welche Bücher können Sie empfehlen?
“Why Aren’t They Shouting?” von Kevin Rodgers und “Work Smarter, Live Better” von Cyril Peupion. Das erste Buch beschreibt auf unterhaltsame Weise, wie technologische Neuerungen das Investmentbanking in den letzten 30 Jahren verändert haben. Es ist ein interessantes Beispiel für die weitreichenden Umwälzungen, die uns auch in der Versicherungsbranche bevorstehen könnten. Das zweite Buch beinhaltet viele nützliche Alltagstipps zur Steigerung der eigenen Effizienz und Effektivität in der digitalen und reizüberfluteten Arbeitswelt von heute.
Welche 3 Tipps haben Sie für Kryptoneulinge?
Erstens: Krypto-Assets sind spannende, aber nach wie vor hochvolatile und spekulative Investments, die häufig keinen Fundamentalwert aufweisen. Man sollte deshalb nur Beträge investieren, die man zur Not auch abschreiben kann. Zweitens: es empfiehlt sich zu Beginn zunächst einmal begrenzte Summen einzusetzen, um die notwendigen technischen Prozesse (Verwendung von Wallets, Handel auf Kryptobörsen, Versenden von Coins etc.) mit geringem Risiko kennenzulernen. Drittens: sobald relevante Summen im Spiel sind sollte man sich unbedingt mit der sicheren Aufbewahrung des Private Keys befassen (z. B. mittels eines Hardware-Wallets). In einer rein dezentralen Welt gibt es niemanden, den man um Hilfe bitten kann, wenn der Private Key verloren gegangen ist oder gestohlen wurde.
Wie hat sich der Kapitalmarkt in den letzten 5-10 Jahren verändert?
Von zentraler Bedeutung für die Kapitalmarktentwicklung der vergangenen 10 Jahre ist zweifellos das durch die expansive Geldpolitik der Zentralbanken bedingte Niedrigzinsumfeld in den USA und Europa. Dadurch haben festverzinsliche Wertpapiere stark an Attraktivität verloren. Die Aktien- und Immobilienmärkte hingegen eilen von Rekord zu Rekord. Weitere kennzeichnende Merkmale des Kapitalmarktumfelds im vergangenen Jahrzehnt sind die Etablierung von ETFs und der seit ca. drei Jahren sehr starke Trend zum nachhaltigen Investieren. Schliesslich hat sich bei der Konvergenz von Kapital- und Versicherungsmärkten einiges getan. Verbriefte Versicherungsrisiken, beispielsweise in Form von Katastrophenanleihen, ermöglichen Kapitalmarktinvestoren Zugang zu einem alternativen Investment mit attraktiven Renditen, die gegenüber gängigen Anlageklassen kaum Korrelationen aufweisen.
Alexander Braun von der Universität St. Gallen im Interview
Webseite des Instituts für Versicherungswirtschaft (I.VW-HSG), Universität St.Gallen
Wir bedanken uns bei Assoziierter Prof. Dr. Alexander Braun für das Interview. Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.
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