Berlin, 21. Feb (Reuters) – Lockerungen von Corona-Einschränkungen schieben die Wirtschaft in Deutschland und der Euro-Zone an. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft im Währungsraum – Industrie und Dienstleister zusammen – kletterte im Februar um 3,5 Zähler auf 55,8 Punkte und damit überraschend stark, wie das Institut IHS Markit am Montag zur monatlichen Umfrage unter rund 5000 Firmen mitteilte. Das Barometer bleibt klar über der Wachstumsmarke von 50 Zählern. In Deutschland erwartet die Bundesbank derweil nach einer kurzen Winter-Rezession wegen der Omikron-Welle für das Frühjahr eine kräftig anziehende Konjunktur.
Auch wenn Vieles auf wirtschaftlich bessere Zeiten deutet, bleiben Experten zufolge Risiken. „Denn ein steiler Anstieg der Energiepreise oder eine weitere Eskalation im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine könnten die gute Stimmung nachhaltig trüben“, erklärte Chefökonom Jörg Zeuner von Union Investment.
Gelockerte Restriktionen sorgten für anziehende Nachfrage nach vielen verbrauchernahen Dienstleistungen wie rund um Freizeit, Reisen und Tourismus, sagte Chefökonom Chris Williamson zur IHS Markit-Umfrage. Zugleich hätten sich Engpässe auf der Angebotsseite abgemildert. „Der Ausblick fiel ebenfalls wieder optimistischer aus, da die Unternehmen auf eine weitere Konjunkturerholung hoffen, was wiederum die Einstellungsbereitschaft steigen ließ.“
Trotz Entspannung gab es weiter Lieferengpässe und die Nachfrage überstieg noch immer das Angebot, was die Preismacht der Industriebetriebe und Serviceanbieter stärkte. „Gleichzeitig erhöhten galoppierende Energiekosten und steigende Löhne den Inflationsdruck, was den stärksten Anstieg der Verkaufspreise seit einem Vierteljahrhundert der Datenerhebung nach sich gezogen hat“, betonte Williamson.
PREISDRUCK BREMST BETRIEBE
Auch der deutsche Industrieverband BDI rechnet mit weiter steigender Belastung durch hohe Strom- und Gaspreise. „Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Es sei zu befürchten, dass der rasante Preisanstieg die Produktion in Deutschland immer stärker beeinträchtigen werde. „Die Lage ist so ernst, dass selbst standorttreue mittelständische Unternehmen aus diversen Branchen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenken müssen.“
Die deutschen Hersteller erhöhten ihre Preise im Dezember so stark wie noch nie. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte stiegen im Schnitt um 25,0 Prozent. „Dies war der stärkste Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung 1949“, erklärte das Statistische Bundesamt.
Das Bruttoinlandsprodukt war im Schlussquartal 2021 um 0,7 Prozent geschrumpft. „Im Winterquartal 2022 könnte die gesamtwirtschaftliche Leistung aufgrund der Pandemie erneut merklich sinken, im Frühjahr dann aber wieder kräftig Fahrt aufnehmen“, schrieben die Bundesbank-Fachleute. Deutschland würde demnach vorübergehend in eine sogenannte technische Rezession rutschen – also zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung in Folge.
Allerdings signalisierte die IHS-Markit-Umfrage für Deutschland bereits Aufwind im Februar: Das Barometer für Industrie und Dienstleister zusammen kletterte um 2,4 auf 56,2 Punkte. „Aufgrund der erfreulichen Anzeichen dürfte die deutsche Wirtschaft vor einer kräftigen Konjunkturerholung stehen“, sagte Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ BANK.
Das Gastgewerbe hinkt noch hinterher. Die Branchenerlöse sanken 2021 real um 2,2 Prozent zum Vorjahr. Wenn man steigende Preise miteinrechnet, hatten die Betriebe ein Mini-Plus von nominal 0,1 Prozent in der Kasse. „Die von den coronabedingten Einschränkungen geprägten Jahre 2020 und 2021 waren damit die umsatzschwächsten im Gastgewerbe seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994“, erklärte das Statistikamt. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 setzte das Gastgewerbe 2021 inflationsbereinigt 40,3 Prozent weniger um. „Die Zahlen verdeutlichen die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie“, sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick.
Erst Winter-Rezession in Deutschland – dann Konjunktur-Frühling
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