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Nur im Grundsatz einig – Westliche Differenzen in der Ukraine-Krise

Berlin, 21. Feb (Reuters) – Jeden Tag bekräftigen die Regierungen in Nato, EU und G7 gegenüber Moskau ihre Ge- und Entschlossenheit in der Ukraine-Krise. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht etwa betont, man sei anders als 2014 bei der Annexion der Krim diesmal einig und mit einem harten Sanktionspaket vorbereitet. Bei einer Invasion müsse Russland deshalb eine hohen Preis zahlen, lautet die einheitliche Botschaft. Allerdings trügt das Bild: Unterhalb dieser prinzipiellen Einigkeit, dass Moskau mit einem Kurs der Gewalt in Europa nicht durchkommen dürfe, gibt es im Lager der westlichen Demokratien durchaus Dissonanzen.

WELCHE SANKTIONEN KOMMEN WANN?

„Am einfachsten wäre eine Reaktion auf eine volle russische Invasion: Dann würde das gesamte vorbereitete Sanktionspaket in Kraft treten“, sagt ein EU-Diplomat. Nur rechnen damit die wenigstens. Vielmehr wird erwartet, dass Russland im Falle einer Aggression gegen die Ukraine sehr abgestuft vorgehen wird. Präsident Wladimir Putin hat bereits mehrfach gezeigt, dass er viele Varianten eines Angriffs wählen kann, um Reaktionen auf das russische Vorgehen zu erschweren.

Dazu gehören Cyberangriffe, bei denen der Urheber nicht immer klar benannt werden kann. Dazu gehören wie auf der Krim 2014 „grüne Männchen“ oder in Libyen Söldner, die den Westen im Unklaren lassen, wer hier gerade agiert. Putin könnte aber auch auf einen Einmarsch verzichten und die von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete in der Ostukraine anerkennen – mit dem Hinweis auf einen entsprechenden Wunsch des russischen Parlaments. In keinem dieser drei Fälle ist klar, welche Sanktionen Amerikaner und Europäer dann verhängen würden.

Wenn aber nur einige Sanktionen zum Zuge kommen, beginnt die Debatte, wer die größten Lasten zu tragen hat. Gerade die UN-Vetomächte USA, Großbritannien und Frankreich haben nach Ansicht deutscher Diplomaten schon bei früheren Sanktionsregimen trickreich darauf geachtet, den Schaden für sich selbst möglichst gering zu halten.

Außenministerin Annalena Baerbock betonte am Wochenende, dass die härteste Sanktion nicht immer die smarteste sein müsse. Vorsorglich warnte sie, dass auch Deutschland bereit sei, einen hohen Preis zu zahlen. Aber werden dann nur europäische Gaseinkäufe, oder auch milliardenschwere amerikanische Öl-Importe aus Russland auf die Agenda kommen?

KRIEGSRHETORIK

So sehr die transatlantische Einheit beschworen wird: In etlichen westeuropäischen Regierungen gibt es nach Angaben von EU-Diplomaten durchaus Kritik daran, dass die US-Regierung fast täglich den unmittelbar bevorstehenden Einmarsch der Russen in die Ukraine verkündet. Dahinter stehen unterschiedliche Denkansätze: Die USA glauben, es mit der Veröffentlichung der Warnung aus Geheimdienstkreisen schwerer für Putin zu machen, loszuschlagen. Etliche EU-Diplomaten neigen eher zu der Ansicht, dass zu viele deutliche Warnungen den Konflikt noch Richtung Eskalation treiben und es Putin schwerer machen, ohne Gesichtsverlust von angeblichen oder tatsächlichen Angriffsplänen abrücken zu können.

NICHT-VERTEIDIGUNG DER UKRAINE

Dazu kommt, dass die USA ihre Warnungen und Sanktionsdrohungen mit der Aussage verbinden, sie selbst würden in der Ukraine auf keinen Fall militärisch aktiv werden. Auch hier gibt es zwei Ansichten: Die einen halten dies für einen wichtigen Hinweis an Moskau, um zu deeskalieren. Die anderen sprechen von einer Einladung zur Invasion, weil Putin in der Ukraine keinen Krieg der Atommächte fürchten muss. US-Vizepräsidentin Kamala Harris betonte, dass für die Supermacht die rote Linie entlang der Nato-Außengrenzen verläuft – also westlich und nicht östlich der Ukraine.

WAFFENLIEFERUNGEN

Außenministerin Baerbock und Verteidigungsministerin Lambrecht verweisen darauf, dass man sich unter den Alliierten über eine Arbeitsteilung einig sei. Einige Staaten lieferten Waffen, Deutschland unterstütze die Ukraine dagegen eben mit Geld. Tatsächlich betonte auch US-Außenminister Antony Blinken, dass es darüber Einvernehmen gebe. Allerdings gibt es vor allem in Osteuropa anhaltende Kritik an der deutschen Weigerung, der Ukraine Waffen zu liefern. 

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